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Patienten schätzen lernen

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Wie soll man angemessen reagieren auf einen geliebten Menschen, dem der Realitätsbezug vollständig abhanden gekommen ist? Wie soll man beispielsweise als Tochter mit einer Mutter umgehen, die das eigene Kind nicht mehr erkennt, scheinbar sinnlose Silben von sich gibt, und deren körperlich-geistiger Zustand sich nur noch verschlimmern kann?

Fragen, die sich Pflegepersonal und Angehörige von Alzheimer-Patienten oft stellen und auf die es keine Antworten gibt. Oder doch?

Die amerikanische Psychotherapeutin und Altenbetreuerin, Naomi Feil, hat eine eigene Methode entwickelt, die speziell auf sehr alte, desorientierte Pflegepatienten mit der Diagnose Alzheimer abgestimmt ist:

Validation, zu deutsch etwa „Wertschätzung”. Nach Naomi Feil nehmen desorientierte Menschen in ihrem letzten, verwirrten Lebensstadium jene Probleme in Angriff, die sie vorher unterdrücken mußten: Die alte Frau, die dauernd einen Mann unter ihrem Bett vermutet, hatte Probleme mit ihrer Sexualität zurechtzukommen. Der senile Patient, der Brotrinden in seinem Nachtkästchen hortet, war stets ein Perfektionist, dem nichts „danebengehen” durfte.

Validation verfolgt ein doppeltes Ziel: Einerseits soll alten, desorientierten Menschen ihre Würde zurückgegeben werden, andererseits soll dem Pflegenden eine Methode in die Hand gegeben werden, die Patienten besser zu betreuen.

Auch in Österreich gewinnt Validation zusehends an Bekanntheit, bestätigt Heinrich Hoffer vom Verein Altern und Kultur. Validation gründet auf der Erkenntnis, daß es keinen Nutzen habe, desorientierte alte Menschen wieder nach „unserer” Realität auszurichten - die Patienten würden dann feindselig reagieren. Oft ziehen sie sich darauf - bis zum Stadium des „Vegetierens” - in sich selbst zurück.

„Einen besseren Zugang findet man, wenn man sich die Einstellung der Indianer aneignet, die Verrücktheit als Gottesgeschenk ansahen. Diese Vorstellung sollten sich validierende Krankenpfleger möglichst aneignen”, empfiehlt Hoffer. „So kann es gelingen, nicht nur den Zustand des Patienten zu bessern, sondern auch seinen eigenen Zugang zum Problem des Alterns zu verändern.” 1.1.

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