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100 x 28 = 2800

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Die Bevorzugung eines ausländischen Industriegiganten gegenüber heimischen Unternehmen, ist ein Aspekt des 2,6 Milliarden-Schilling-Geschenks an General Motors für die Errichtung eines Motorenwerkes bei Wien-Aspern.

Während sich die politischen Parteien überkugeln, um mit der üblichen Sozialoffensive bei den nächsten Wahlen die Stimmen der Pendler für sich zu gewinnen, siedelt man die 2800 neuen Arbeitsplätze just dort an, wohin sie jetzt ohnehin schon pendeln, und nicht dort, woher sie kommen.

Wobei die Problematik noch dadurch verschärft wird, daß die Bevölkerung und damit das Arbeitskräfteangebot im Großraum Wien in den nächsten Jahren weiter zurückgehen wird.

Nicht grundlos fürchten daher die für den Arbeitsmarkt des umliegenden Bundeslandes Niederösterreich Verantwortlichen, daß durch den neuen attraktiven Arbeitgeber im Wiener Raum die ohnehin schon eher entvölkerten Grenzgebiete des nördlichen Niederösterreichs endgültig menschenleer gesaugt werden.

Dem Protzen mit Beschäftigungsstatistiken tut dies freilich keinen Abbruch: Ein überhitzter Arbeitsmarkt in Wien und ein eingefrorener im nördlichen Wald- und Weinviertel ergeben, ja nach wie vor einen wohltemperierten gesamtösterreichischen Arbeitsmarkt.

Die Problematik erinnert sehr stark an das Verhältnis zwischen Flachlandbauern und Berglandbauern. Jahrelang wurde - und wird zum Teil leider noch immer! -durch eine undifferenzierte Förderung der produktionstechnische Vorteil der Flachlandgebiete so verstärkt, daß sich die Bergregionen immer mehr entvölkerten.

Die betriebswirtschaftlich klare Rechnung ging freilich volkswirtschaftlich nicht auf: Die ökologischen Kosten einer zunehmenden Verwilderung der Berglandschaft (nicht gemähte Almen geben eine hervorragende Rutschbahn für Lawinen ab), zwangen in der Folge abermals zu kostspieligen Förderungsmaßnahmen.

Ähnlich teuer könnte die Wie-derbesiedelung der niederösterreichischen Grenzregionen kommen. Damit soll nicht behauptet werden, daß man das Motorenwerk bei Mistelbach auf die grüne Wiese hätte stellen können und sollen.

Bei derartigen Dimensionen sind klarerweise gewisse infrastrukturelle Voraussetzungen notwendig. Daß Wien hier Standortvorteile bietet, ist unbestritten. Und daß sich General Motors, vor eine freie Standortwahl gestellt, dafür entschieden hat, ist begreiflich.

Unbegreiflich bleibt bloß, warum man dem Giganten die Vorteile mit jenen Milliarden versüßen mußte, die seit Jahr und Tag für die Grenzlandförderung fehlen. 100 mal 28 Arbeitsplätze sind auch 2800 Arbeitsplätze, krisensicherere vielleicht sogar.

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