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Abschied von Stella Kadmon

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Zum letztenmal hab' ich sie bei der Enthüllung des Denkmals am Albertinaplatz gesehen. Da war sie, obwohl schon sehr alt, wie immer dabei, wenn es um Pazifismus und gegen Faschismus ging. Das Höchste, was sie über einen Text oder ein Stück sagen konnte, war „pazifistisch“. Sie war von rührend idealistischem Engagement für die Rechte des Menschen.

Sie hatte die Ära der Wiener Kleinkunst, die eine große Zeit werden sollte, mit dem „Lieben Augustin“ im Keller des Cafe Frackel 1931 begonnen. Und als die böse Zeit kam, gelangte sie nach Palästina und war auch dort kabarettistisch aktiv. Sie war die große Mutter des Wiener Kabaretts. Und als die böse Zeit zu Ende war, führten Kollegen den auferstandenen „Lieben Augustin“ in ihrem Namen weiter, bis sie zurückkehrenkonnte. Welch eine Geste der Kollegialität in einer sonst so zerstrittenen Sphäre.

Bald war die Zeit ihrem Kabarett nicht mehr günstig, und sie vollzog die Wendung, auch topographisch, von der Biberstraße zum Franz-Josefs-Kai, vom Kabarett zum Theater. Sie wählte den herausfordernden Namen „Theater der Courage“. Dort war ein frühes der zahlreichen Wiener Kellertheater mit einem anspruchsvollen Spielplan zu bewundern; meine stärkste Erinnerung: Stella Kadmon als „jüdische Frau“ in Brechts „Furcht und Elend des Dritten Reichs “.

Im biblischen Alter fand sie dann die rechte Testamentsvollstreckerin in Emmy Werner, die ihr Erbe antrat - Kollegialität auch hier.

Sie blieb weiter an der Zeit und am Theater interessiert, man begegnete ihr oft bei Generalproben und im Cafe. Sie gehörte dazu seit mehr als einem halben Jahrhundert; sie hatte zweifach als Pionier gewirkt, als Begründerin einer großen Wiener Kabarett-Ära und als Avantgardistin des Wiener Theaters. Wir wollen an sie und ihr erfülltes langes Leben dankbar und gerührt zurückdenken.

Als Grete Wagner, ihre lebenslange Kollegin und Freundin, sie kurz vor ihrem Tod im Krankenhaus besuchte und zum Abschied „Auf Wiedersehen“ sagte, antwortete sie: „Ich weiß, wo. Im Himmel.“

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