Biber - © Jillian Cooper

Richtig kuppeln mit dem Biber

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Wenn man es recht bedenkt, dann haben es auf der Welt jene Lebewesen am schwersten, die vom Menschen als nützlich erkannt werden. Denn wenn man sie nicht züchten, zähmen und in Gehege und Ställe sperren kann, droht schnell einmal die Ausrottung. Dem Biber ist es so ergangen und er hatte Glück, dass er sich in Sibirien und im Norden Kanadas halten konnte, weil es dort so wenige Menschen gibt. Zeit seiner massiven Bejagung im 19. Jahrhundert hat er enormen Reichtum gebracht. Eine der reichsten Kolonialgesellschaften, die Hudson Bay Company, führte den Biber im Wappen, mit dem Spruch: „Pro pelle cutem“ – „Für Pelze riskieren wir unsere Haut“. Das Risiko lag aber eher aufseiten der Beute. Biberpelze wurden zu Mänteln, Jacken, Mützen, aus den Drüsen wurden Arzneien und Quacksalbereien hergestellt – Potenzmittelchen, Epilepsietropfen und Kopfwehpulver. Und aus all dem ergibt sich, dass für die längs­te Zeit nur ein toter Biber ein ökonomisch guter Biber war.

Jede Biberburg, von außen besehen ein wilder Holzhaufen, ist ein Abbild baumeisterlicher Fähigkeiten verbunden mit Klimatechnik und Physik.

Von den Prinzipien des biberischen Lebens haben bis heute nur einige Wildhüter und Biologen eine Ahnung – und das ist bedauerlich. Denn der Biber ist ein Meister im Hoch- und Tiefbau, in Vorratshaltung und Energiebilanz. Seine Wohnhöhlen werden in der Erde oder über der Oberfläche stets als Kuppelbauten errichtet, mit Lehm abgedichtet. Die Kuppelform ist der menschlichen „Schachtelform“ des Gebäudes weit überlegen, sie schafft eine optimale Zirkulation der Luft. Der Eingang zum Bau liegt stets unter dem Wasserspiegel. Die Wassertemperatur sorgt also im Sommer für Kühle und im Winter für vergleichsweise Wärme bei grimmigen Außentemperaturen. Jeder Bau ist dazu noch mit einem Dunstloch versehen, durch das die Feuchtigkeit entweichen kann. So wird aus der Biberburg, die von außen besehen ein Holzhaufen ist, das Abbild baumeisterlicher Fähigkeiten verbunden mit Klimatechnik und Physik.

Nach so viel Baustelle noch etwas Biberphilosophie. Laotse sagte einmal, dass der Mensch weich und schwach geboren wird und hart und stark stirbt. Der Biber würde das nicht unterschreiben. Er würde für eine Mischung der beiden plädieren und als Beweis seine Zähne blecken. Damit hat es folgende Bewandtnis. Die Vorderseite der Biberzähne sind mit härtestem Schmelz überzogen, aber das Zahnmaterial dahinter ist weich. Die Rückseite nutzt sich also beim Bäumenagen stärker ab als die Vorderseite. Dadurch werden die Biberzähne messerscharf und sie schärfen sich permanent selbst durch Arbeit. Und wenn man diese Struktur gemäß Tao denkt – wird daraus ein Bild für Ausgeglichenheit. Erst das Weiche gibt dem Harten die Schärfe, erst die Anstrengung führt in der Ruhe zur Entspannung der Leere. Und in diesem Sinn ist dem Biber auch noch der Sinn von Yin und Yang eingeschrieben.

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