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Bei Nowotny nachlesen

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Auch im eigenen Lager gilt, könnte man in Abwandlung des bekannten Sprichwortes formulieren, 'der Prophet nichts. Zumindest wird er dort nicht gelesen. Wenn Dallinger, Fischer & Co., der linke Flügel der Regierungspartei, ideologiegemäß nach einer Anhe-bung des Spitzensteuersatzes rufen, setzen sie sich über die finanzwissenschaftlichen Erkenntnisse ihres Parteifreundes Ewald Nowotny hinweg. ,

In allen seinen in den letzten Monaten erschienenen wissenschaftlichen Arbeiten kommt Ewald Nowotny - Ordinarius für Finanzwissenschaft, einer der führenden Wirtschaftssprecher der SPÖ -beim Thema Progressionsverschärfung nur zu einem Schluß: Rien ne va plus.

„Ich persönlich würde... meinen, daß für die konkrete österreichische Situation die makroökonomischen Aspekte stärkere Betonung erfahren sollten und daher1 tendenziell wieder eine Ausweitung der Steuer-Bemessungsgrundlage anzustreben ist bei tendenzieller Rücknahme bzw. Proportio-nalisierung der Tarife, insbesondere in den einkommenspolitisch .sensiblen' Bereichen."

Gelbe Briefe des Instituts für Finanzwissenschaft und Steuerrecht, Nr. 109, 1979.

Als „makroökonomische" (= gesamtwirtschaftliche) Aspekte führt Nowotny.an:

Ein deutlich progressiver (Tarifverlauf hätte neben dem. negativen psychologischen auch einen negativen „alloka-tiven" (= Zuteilungs-)Effekt. Die Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital richten sich nicht nach der höchsten volkswirtschaftlichen Effizienz, sondern nach der geringsten steuerlichen Betroffenheit aus.

Ein stark progressiver Tarifverlauf - und eine Anhebung des Spitzensteuersatzes führt zwangsläufig zu einer Progressionsverschärfung, auch wenn man das gerne wegdiskutieren will - hat zudem den Nachteil, daß er unter dem Druck der Inflation relativ häufig korrigiert werden muß, soll dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit Rechnung getragen und nicht auch bloß nominelle

Einkommenserhöhungen weggesteuert werden. Empirische Studien hätten aber, so Nowotny, gezeigt, daß dabei die Inflationswirkung oft überkompensiert würde. Ein inflationsneutralerer (= weniger progressiver, mit breiter Proportionalzone) Tarif könnte demnach langfristig auch fiskalisch ergiebiger sein.

Schließlich wäre die Ein-' kommensteuer, entgegen aller traditioneller Lehrbuchweisheit, auch ein Kostenfaktor, weil sie zumindest teilweise überwälzt werden kann. Uber einen ausgeprägt progressiven Tarif muß sie damit aber zum Inflationsmotor werden, weil es „zu vergleichsweise höheren Bruttolohn-Forderungen kommen muß, wobei dieser Zusammenhang bei inflationären Tendenzen noch in verstärktem Maße wirkt".

Und genau dort stehen wir jetzt. Dallinger, Fischer & Co. wird dringend empfohlen, Nowotny nachzulesen.

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