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Bekenntnis ohne Axiome

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Aufzeichnungen, Erinnerungen, Tagebücher, Lebensberichte - literarische Formen, die in letzter Zeit eine Renaissance erleben, angefangen von den Aposteln der Neuen Innerlichkeit wie Peter Handke, bis zu alternden Größen, die ihre eigene Person als Ware verkaufen und meist nicht schlecht dabei verdienen. Auch Gerhard Amanshauser hat mit seinem Band „Grenzen“ den Versuch unternommen, Persönliches, Erlebtes, mit der objektiven Realität zu vergleichen und zu verbinden, Assoziationen zu seiner Umwelt niederzuschreiben.

Ein gelungener Versuch, fernab von Modeströmungen und literarischen Exhibitionismen, die momentan den Buchmarkt beherrschen: „Was ich in dem Buch beschreiben will, sind die Ursachen, warum ich viele Dinge mit anderen Augen sehe als die Mehrheit, die uns regiert. Ich will wenigstens andeuten, wie ich dazu gekommen bin, sie so zu sehen.“ Dieses Vorhaben führt Amanshauser auch aus, angefangen von den frühen, entscheidenden Kindheitserlebnissen, den ersten bewußten Beziehungen zur Umwelt, zur Gesellschaft, bis zu seinen schriftstellerischen Erfahrungen.

Amanshauser schreibt vorsichtig, tastend, sucht nach Worten und adäquaten Ausdrücken, will dem Leser keine vorfixierte Perspektive aufdrängen, sondern einfach erzählen und Lebenszusammenhänge vermitteln. Er hat es nicht notwendig, sich permanent zu rechtfertigen, seine Einstellung immer wieder zu erklären, er beschreibt einfach „wie ich wurde“, bietet Material an.

Doch in allen Sätzen verbergen sich

Engagement und Angriffsgeist. Der Autor gibt sich nicht zufrieden mit sprachlichen Metaphern und tradierten Ausdrucksformen, die immer nur von Herrschenden und Regierenden geprägt wurden, er fragt, ist mißtrauisch, versucht immer wieder, seine Position in der Gesellschaft zu hinterfragen. Er glaubt „den Regierenden nicht“.

Amanshauser hat also keinen Roman geschrieben, keine durchgängige, in sich geschlossene Handlung - es sind Bruchstücke, Assoziationen, Erlebnisse, Gefühle, die scheinbar locker und ohne Zusammenhang aneinandergereiht sind. Trotzdem fügen sich alle diese Einzelmomente zu einem Ganzen, zu einer Person, einem Bild, das etwas sagt.

„Das Bild von den Grenzen des Wissens, die immer weiter hinausgeschoben werden, ist irreführend. Wo die Grenzen liegen, das hängt von den Axiomen ab.“ Amanshauser hat keine Axiome, deshalb interessiert es ihn auch nicht, Grenzen zu ziehen oder immer weiter auszudehnen. Was er aufzeigen und untersuchen will, sind die Beziehungen des einzelnen zu seiner Umwelt, die immer mehr an Macht und Einfluß gewinnt, immer uniformierender wird, den einzelnen immer stärker unterdrückt, seine Bedürfnisse bestimmt. Gegen diese Maschine Umwelt und Gesellschaft sträubt sich der Autor, nicht mit großen revolutionären Worten allerdings, sondern mit Poesie,

Aufzeichnungen. Von Gerhard Amanshauser, Residenz Verlag, Salzburg, 1977,128 Seiten, öS 85,—

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