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Das Ende eines Dornröschenschlafs?

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Es hat den Anschein, als sei der Dornröschenschlaf des Schlosses Schloßhof so oder so vorbei — die „Furche“ war, siehe den auf dieser Seite abgebildeten Brief des Bundeskanzlers, daran nicht ganz unbeteiligt.

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Es hat den Anschein, als sei der Dornröschenschlaf des Schlosses Schloßhof so oder so vorbei — die „Furche“ war, siehe den auf dieser Seite abgebildeten Brief des Bundeskanzlers, daran nicht ganz unbeteiligt.

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Schloßhof: Jeder kennt den Namen, aber nur wenige kennen dieses Schloß selbst, das seit Menschengedenken für die Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich war — die Kapelle wurde erst vor kurzer Zeit für Besucher wieder geöffnet. Schloßhof stand paradoxerweise jahrelang im Schatten des Schlosses Niederweiden. Paradox deshalb, weil das winzige Jagdschlößchen Niederweiden um so vieles kleiner ist als das Schloß in Schloßhof. Aber Niederweiden war in den Zwischenkriegs-, Kriegs- und Nachkriegsjahren vor allem infolge chaotischer Kompetenzprobleme so heruntergekommen, daß zeitweise der völlige Abbruch unvermeidlich schien, wenn nicht innerhalb kürzester Frist etwas geschah. Niederweiden ist heute gerettet, zumindest in seiner Bausubstanz; ein Abbruch von Schloßhof stand selbstverständlich niemals zur Diskussion, aber es geschah auch nicht viel. Zumal die Größe dieses Baues, der in seinen ältesten Teilen aus dem Mittelalter stammt, den Fischer von Erlach für den Prinzen Eugen großzügig erweiterte und umgestaltete und der unter Maria Theresia eine nicht unbedingt sehr glückliche Aufstockung erfuhr, die Suche nach einer neuen Bestimmung nicht gerade erleichterte.

Schlösser galten nach dem zweiten Weltkrieg lange Zeit als schön, aber unnütz. Das Unbehagen an der Funktionalität der zeitgenössischen Kommerzarchitektur ist eine relativ junge Erscheinung. Sie führte zu einer Aufwertung gefährdeter Schlösser, die heute Treffpunkte und Schulungszentren, Repräsentationsund Rekreationseinrichtungen beherbergen.

Es ist daher kein Wunder, daß der Beitrag, den Bundeskanzler a. D. Josef Klaus vor einem Monat für die „Furche“ schrieb, im Bundeskanzleramt auf fruchtbaren Boden fiel — was wir sehr begrüßen. Zu begrüßen ist auch die Promptheit, mit der sich Bundeskanzler Kreisky zum Lokalaugenschein begab und dessen Resultat, nämlich die Wiederherstellung eines der schönsten Barockschlösser im Umkreis Wiens voranzutreiben.

Jetzt Initiative beim Europarat

Doch wir wollen diese Gelegenheit benützen, um doch noch einmal daran zu erinnern, daß es Bundeskanzler Klaus seinerzeit nicht nur um die Restaurierung von Schloßhof ging, sondern auch darum, es einer ganz bestimmten, detailliert dargelegten Verwendung zuzuführen. Die Verfallsgeschichte von Schloßhof reicht sogar noch etwas weiter zurück, als die von Niederweiden, dessen Abstieg „erst“ mit dem ersten Weltkrieg begann. Im Sommer 1965 faßte Josef Klaus während eines Besuches in Schloßhof (den er mit Landeshauptmann Hartmann unternahm) den Plan, hier eine internationale Jugendakademie zu gründen, um so zur europäischen Einigung beizutragen.

Vieles, was Bundeskanzler Kreisky in den letzten Wochen und Monaten gesagt hat, deutet darauf hin, daß ein solcher Plan durchaus auch in seinem Sinne sein könnte — Österreichs zuständige Stellen sind offensichtlich entschlossen, das Land in eine aktive, nicht nur nehmende, sondern stets auch gebende Rolle in der europäischen Gemeinschaft zu steuern.

Daß Schloßhof als Sitz einer internationalen Jugendakademie des Europarates dabei eine besondere Rolle spielen soll, wurde bisher allerdings noch nicht expressis ver-bis bekräftigt, sollte aber nun doch neuerlich festgehalten werden. Denn die Rettung des Schlosses vor dem Verfall an sich, daran muß immer Photos: waschet wieder erinnert werden, ist noch keine avantgardistische Tat. Ein Juwel wie Schloßhof gilt heute keineswegs mehr als unnützer Kasten, sondern als Objekt, auf das so mancher begehrlich blicken kann. Und was dem einen, etwa dem Wirt-schaftsförderungsinstitut, sein

Herrnstein im Süden, könnte einem anderen, etwa einer gewerkschaftlichen oder arbeiterkammeralen Organisation, durchaus sein Schloßhof im Nordosten der Bundeshauptstadt sein.

Doch dafür waren — noch unter Bundeskanzler Klaus — die Vorbereitungen in Richtung auf ein europäisches Jugendzentrum in Schloßhof viel zu weit gediehen, und man sollte davon — wir haben gar keinen konkreten Verdacht, wir wollen nur vorbeugen — nicht abweichen. Schloßhof bringt alle Voraussetzungen für eine derartige Verwendung mit.

Denn Schloßhof, vom Prinzen Eugen mit unerhörtem Luxus (und unerhörten Kosten) ausgestaltet und ausgestattet, später von Maria Theresia vergrößert und zum Hochzeitsgeschenk für ihren Gemahl Franz bestimmt, ist nicht nur — durch seine Größe — geradezu ein moderner Zweckbau in jenem Sinne, daß hier nicht nur räumliche und organisatorische, sondern auch psychologische — sprich ästhetische — Bedürfnisse auf ihre Rechnung kommen, Schloßhof verspricht auch durch seinen Park ein Anziehungspunkt ersten Ranges zu werden. Immerhin: Niederweiden und Schloßhof, und nicht zuletzt dem Park von Schloßhof, verdanken es die Marchfeldschlösser nicht zuletzt, wenn sie gerne als Österreichs Loire-Schlösser bezeichnet werden.

In Schloßhof senkt sich eine leider stark verfallene, herrliche Terrassenanlage zur March — die tschechoslowakische Grenze ist nur wenige hundert Meter, die ungarische Grenze wenige Kilometer entfernt. Aus der Not, das Schloß auf einem erhöhten Standpunkt errichten zu müssen, um es vor den

Hochwässern der March zu schützen, entstand die Tugend“ einer der eindrucksvollsten gartenarchitektonischen Schöpfungen des österreichischen Barock (übrigens mit- erhaltener, wenn auch schlecht erhaltener, Gartenbühne).

Daß Schloßhof unmittelbar am Eisernen Vorhang gelegen ist, kann dabei auch mit einem durchaus positiven, von jeder Aggressivität freien Vorzeichen versehen werden — als Ort der Verständigung in einem nicht erst heute waffenstarrenden Winkel der abendländischen Welt könnte hier der Versuch gewagt werden, Schritte in Richtung auf eine Verständigung zu unternehmen, die nicht nur auf wirtschaftlichen und auch nicht nur auf wirtschaftlichen und politischen Interessen beruht und nicht auf Westeuropa beschränkt bleibt.

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