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Der „Philosoph" aus Brindisi

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Für „Raubgräber" gibt es am Strand von Punta Penne an der Peripherie der süditalienischen Hafenstadt Brindisi keine Chance mehr. Vor wenigen Tagen haben Archäologen aus Brindisi und Mailand die Leitung der Bergung und Untersuchung der Schätze aus dem Meeresgrund übernommen.

Bei einem Gesamtbudget von rund 50MillionenLire (etwa490.000 Schilling), die sich das italienische Ministerium für Kultur in Rom und die Regionalregierung von Tarent teilen, bestand ihre erste Tat darin, das Umfeld der in durchschnittlich 15 Meter Tiefe gelegenen grottenartigen Fundstelle Tag und Nacht bewachen zu lassen. Dann wurde die zerklüftete Küste bei Punta Penne vermessen. Jetzt hat man begonnen, die systematische Suche nach weiteren versunkenen Schätzen mit Metalldetektoren durchzuführen.

Seit dem 19. Juni, da der Carabinie-ri-Kommandant von Brindisi, Luigi Robusto, Neuling auf dem Gebiet des Tauchens, per Zufall einen 43 Zentimeter langen Bronzefuß entdeckt und ans Tageslicht gebracht hatte, fand ein Taucherteam unter Claudio Moccheg-giani aus Rom und dem für die Region Tarent zuständigen Altertumsexperten Giuseppe Andreassi 23 Teile von Bronzestatuen und Vasen. Darunter: Finger und Arme sowie die Bruchstücke einer in ein kunstvoll gefaltetes Gewand gekleideten Statue.

Eines der hervorragendsten Stücke istein stark beschädigter Kopf, dessen hohe Wangen und die gerade geformte Nase große Ähnlichkeit mit der

unter dem Namen „Der Fürst" rangierenden zwei Meterhohen griechischen Bronzefigur aus Rom aufweist. Ein zweiter, vollständig erhaltener Köpf mit gelocktem Haar und offenen Augenhöhlen wird im „Grabungsbuch" als „Philosoph" geführt. Er gilt als das qualitätvollste Stück unter den bislang gehobenen Schätzen. Über sein Alter wollen sich die Archäologen vorläufig nicht äußern. Einige Fragmente - sie stammen wahrscheinlich von elf verschiedenen Statuen -datieren sie in die Zeit um 300 v. Chr., andere in das zweite Jahrhundert n. Chr.

Nur Hypothesen

Wie schon vor Wochen, da Luigi Robusto für erste Schlagzeilen sorgte, haben die Wissenschaftler über die Art, in der die Bronzefragmente ins Meer vor Brindisi gelangt sein mögen, nur Hypothesen bereit. Vielleicht, sagen sie, ging das Schiff auf seiner Fahrt von Griechenland nach Triest hier unter. Auch ob die geladenen Kunstwerke erst auf dem Meeresgrund zerbrochen sind, oderob sie als schadhafte Fracht in eine Bronzegießerei zur Reparatur gebracht werden sollten, könne - wenn überhaupt - ohne eingehende Analysen nicht beantwortet werden.

Sollte man nach Abschluß der Bergungsaktion bloß die eine oder andere Statue komplettieren können, würde diese dann zu den eindrucksvollsten Bildnissen der Antike zählen - ebenbürtig den beiden vor 22 Jahren von Unterwasserarchäologen bei Reggio di Calabria geborgenen männliohen Bronzestatuen.

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