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Der Sprung ins Kunstgeschaft

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Als einer aus der „Wirklichkeiten“ -Gruppe des Wiener Kunstkritikers Otto Breicha ist Franz Ringel, 32, aus Graz gebürtig und Wiener Seces-sionsmitglied, seit der großen Ausstellung von 1968 rasch bekannt geworden. Personalausstellungen in Heinrich von Sydows Galerien in Frankfurt und Berlin, dann in Köln, Beteiligungen an den prominent beschickten und von internationalen Kunsthändlern schon pflichthalber besuchten Kunstmärkten in Basel und Düsseldorf folgten. Als er Österreich auf der Pariser Jugendbiennale 1971 vertrat, begeisterte sich Altmeister Jean Dv,buffet für Ringels Bilder. Eine Empfehlung an die Galerie „Atelier Jacob“ in der altehrwürdigen Rue Jacob, also im Herzen des Pariser Kunsthandelszentrums, folgte.

Nun übersiedelte Ringel soeben an die Seine, um seinen Vierjahresvertrag bei Galeriechef Bourbonnier — dieser betreut sonst Prominenz wie Dubuffet oder Appel — zu erfüllen. Was für Ringel übrigens einen Hals-über-Kopf-Sprung aus Wiens stagnierendem Kunstbetrieb ins internationale Kunstgeschäft bedeutet. Und im Frühjahr wird er für ein paar Wochen nach Wien zurückkehren, um eine vom Museum des 20. Jahrhunderts geplante Schau seiner Gemälde zu gestalten (ein Film über sein Schaffen wurde soeben im Auftrag des Hauses gedreht).

Inzwischen hat sich aber Ringel von den „Wirklichkeiten“ etwas distanziert: „Auch auf die Gefahr, daß es da Wirbel gibt!“ meint er: „Aber schließlich gibt's die Gruppe kaum noch. Wir haben grundsätzlich verschiedene Vorstellungen von Kunst. Wir haben uns zuweit voneinander entfernt!“ Tatsächlich hat Ringel seit 1970 konsequent eigene, sehr eigenwillige Wege verfolgt: In seine thematisch wilden, prallen, im Gestus exaltierten Bilder mit den heftigen Farbentladungen, die seine Abkunft von der historisch bedeutsamen Cobra-Gruppe verraten, ist allmählich Ruhe eingezogen. Eine hehre, hoheitsvolle Atmosphäre,..

Elias Canettis Studienmotive aus „Masse und Macht“, zum Beispiel „Senatspräsident Schreber“, das Positionsgefühl des Paranoikers auf dem Großvaterstuhl, faszinierten Ringel. Canettis Zitate wurden zu Schlüsselsätzen für das Verstehen seiner Bilder. Und — die neueren und neuesten Arbeiten, sitzende dämonische Damen, in satter Buntheit gemalt und kräftig schwarz kontu-riert, durch Kanalisationen an die Umwelt „angeschlossene“ Göttinnen, Mütter in Heiltums- und Hoheitsnischen, Paare auf seltsamen Sezierdiwanen, übernehmen das uralte Thron- und Machtmotiv; wie Alfred Schmeller überhaupt für Ringels Bilder weitläufige thematische Zusammenhänge mit orientalischen, speziell indischen Miniaturen und Heil-tumsfiguren nachgewiesen hat, die Ringel irgendwann einmal kennenlernte.

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