6830793-1974_37_13.jpg
Digital In Arbeit

Bilder des „Unholds Mensch“

19451960198020002020

Als kunsthistorische Spätzündung und Endprodukt in der Entwicklungslinie, die von der Gofora-Gruppe heraufführt, versuchte man den aus Graz gebürtigen, in Wien ansässigen Maier Franz Ringel einzustufen, solange er noch untrennbar mit den „Wirklichkeiten“, der Malergruppe des Wiener Kunstkritikers Otto Breicha, verbunden war: 1968 hatte Ringel mit Martha Jungwirth, Pongratz, Zeppel-Sperl, Kocherscheidt und Herzig in . er Secession ausgestellt. Und schlagartig hatte er damit auf der Wiener Szene seinen Platz.

19451960198020002020

Als kunsthistorische Spätzündung und Endprodukt in der Entwicklungslinie, die von der Gofora-Gruppe heraufführt, versuchte man den aus Graz gebürtigen, in Wien ansässigen Maier Franz Ringel einzustufen, solange er noch untrennbar mit den „Wirklichkeiten“, der Malergruppe des Wiener Kunstkritikers Otto Breicha, verbunden war: 1968 hatte Ringel mit Martha Jungwirth, Pongratz, Zeppel-Sperl, Kocherscheidt und Herzig in . er Secession ausgestellt. Und schlagartig hatte er damit auf der Wiener Szene seinen Platz.

Werbung
Werbung
Werbung

Von Anfang an galt er als ein „Unverwechselbarer“; denn in der Tat unverkennbar „ringelsch“ war sein „.wilder Strichdschungel“, unverkennbar auch seine quirligen Urformteiche und sein „grimmiger amöbisdier Humor“ (Alfred Schmel- 1er), unverkennbar sein kraftstrotzend-pralles Bildtheater der Unholde. Denn trotz einer heftigen Entwicklungszeit, in der Ringel seit 1966/67 seine Art zu malen differenzierte und sein System fand, Figuren zu setzen, Umräume zu gestalten und Requisiten zu arrangieren, ist Ringel in der Substanz seiner Aussage wie auch im Sujet im wesentlichen sich treu geblieben. Ja, ich kenne wenige österreichische Maler, die von Anfang an ein Prinzip, etwa das der Häßlichkeit, so konsequent durchgestanden haben.

Freilich, eine ganz bestimmte geistige Haltung war bei Ringel stets vorhanden: Vielleicht wurde diese

Einstellung erst durch ein paar Bilder Alechinskys ausgelöst, die Ringel 1963 in der Ausstellung „Idole und Dämonen“ gesehen hatte, vielleicht wirkten auch Dubuffets frühe „Strichmännchen“ und .seine späteren ,L’Hourloupe“-Bilder wie Korrektive … Jedenfalls war für Ringels steile Karriere vor allem die Unverwechselbarkeit seiner „Handschrift“, wie die schlüssige Entwicklung, das schrittweise Erobern seines Sujetterrains, ausschlaggebend: Einen neuen Fixpunkt hat diese Karriere nun in der Ausstellung im Wiener Museum des 20. Jahrhunderts gefunden. Ausstellungen in Deutschland, vor allem bei Sydow, auf der Basler Kunstmesse, schließlich ein Vertrag mit dem Pariser Galeriechef Bourbonnais, der Ringel auf Empfehlung Dubuffets eitle beispielhafte Personale in seinem „Atelier Jacob“ widmete, haben Ringels Basis im internationalen Kunsthan-

del rapid verbreitert und mitgeholfen, daß Ringels von Natur aus „alarmierende“ Bilder heute wie eine „Marke“ gehandelt werden.

Was Ringel in den Jahren 1959 bis 1965, als er die Wiener Akademie der bildenden Künste besuchte, alles aufgenommen und in heftigsten malerischen Entladungen zu Papier gebracht hat, wird im Museum im Schweizergarten gar nicht, die Folgezeit bis 1970 nur andeutungsweise, gleichsam in Fixpunkten vorgeführt: „Der Negerkopf“ (1965), „Zeppel- Sperls Porträt“, der „Spaziergang“ und „Die Familie“ (1966), „Der Täter" (1967) wirken daher wie Gewaltsprünge nach vom und direkt zu auf Schlüsselbilcjer wie „Kasperl experimentiert mit einer Plastik von Walter Pichler"…

Aber da ist dann auch schon das gesamte Ringel-Repertoire der Requisiten, seines Psycho-Theaters vorgegeben, da sind bereits seine Hauptprobleme angeschnitten: die thronende Figur, die über zahllose Kanäle, bunte Schläuche, Rohrleitungen, Leitungen an ein unsichtbares System angeschlossen ist; da sind jene lappigen Finger und durch Verstrichelung und Verwischeffekte ,,anonym“ gewordenen Fratzen, da ist jene Betonung genitaler Zonen, die voyeuristische Haltung in der Darstellung! etwa in den eingeblendeten „Spiegeln“, durch die wie durch Bullaugen Fratzen lugen). Und dominierend überall, was Ringel in den Bildern zu Anfang der siebziger Jahre schließlich systematisierte: „Das Thron- und Machtmotiv … verschlungen sitzende Damen werden (wie spätrömische Fi- guren) von Arkaden überwölbt, sitzen in Hoheitsnischen“, schreibt Schmeller und findet hier „Krishna römisiert und auf Gladiatorengardemaß gebracht, wobei ihm der Kopf, umnebelt, von der Sexwelle beschleunigt, in den Rücken wächst wie bei einer Krabbe. Deren lange Krallarme hängen vom Buckel…“

Gemälde wie Ringels „First Lady", „Abhängigkeit“ oder „Schwarzkogler experimentiert mit seinem Körper“, Bilder in leuchtendem Lila, süßlich-erotischem Rosa und Zinnober oder eiskaltem Grünblau belegen diese Entwicklung, die noch nicht zum Abschluß gekommen ist: Im Gegenteil, alles hat sich verdichtet, ist großformatig geworden. Ringel hat Ansätze, die er in kleinen Graphiken — eine ganze Reihe davon im Besitz des Museums — und kleinen Acrylstudien gleichsam abtaste, nun virtuos ins Großformat umgesetzt: Der „Brief an meine Wiener Freunde“ wird zu einer Riesen-„Kreuzigung des Unholds Mensch“, der in ein System tödlicher Beziehungen eingesponnen, verspannt ist. Ausbrechen ist unmöglich geworden, die Flucht ln den Eros, in den Sek ist eine Selbsttäuschung.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung