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Die Armen im Luxushotel

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Vier Tage diskutierten 520 Delegierte, die 250 Gruppen „armer Kanadier” repräsentierten, über ihre Probleme Lord Simcoe”, einem erstrangigen Hotel Torontos. Die Delegierten, die an der Poor People’s Conference teilnahmen, waren im Flugzeug aus allen Teilen des zweitgrößten Landes der Erde gekommen. Die Kosten der wohl einzigartigen Tagung wurden von der Regierung getragen. Ein konkretes Resultat der Konferenz war die Planung von Demonstrationen. Was Ottawa dazu bewog, die Tagung zu finanzieren, war nicht ganz klar.

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Vier Tage diskutierten 520 Delegierte, die 250 Gruppen „armer Kanadier” repräsentierten, über ihre Probleme Lord Simcoe”, einem erstrangigen Hotel Torontos. Die Delegierten, die an der Poor People’s Conference teilnahmen, waren im Flugzeug aus allen Teilen des zweitgrößten Landes der Erde gekommen. Die Kosten der wohl einzigartigen Tagung wurden von der Regierung getragen. Ein konkretes Resultat der Konferenz war die Planung von Demonstrationen. Was Ottawa dazu bewog, die Tagung zu finanzieren, war nicht ganz klar.

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Es gibt nidit viele Länder, in denen der Kontrast zwischen reich und arm so groß ist wie in Kanada, obwohl das Land der schwarzen Bären mit den Vereinigten Staaten, Schweden und der Schweiz den höchsten Lebensstandard besitzt Noch hält die Teuerungswelle an, trotzdem ist — auch hier herrscht „Stagflation” — die Zahl der Arbeitslosen auf 476.000 geklettert. Die Zahl unverschuldet in Not lebender Kanadier ist groß. Der bekannte Publizist lan Adams behandelt das Problem in seinem vor kurzem erschienenen Buch „The Poverty Wall” (McClelland & Stewart, Toronto). Er widmete die Studie Charlie Wenjack, einem Ojibway-Indianer und fügte erklärend hinzu: „Er starb nehen den Schienen der Candian National Railway in der Nacht des 22. Oktober 1966, ein Opfer der Erfrierungen und des Hungers. Er versuchte, 400 Meilen zu wandern, um bei seinem Vater zu sein Er war zwölf Jahre alt.” Kanadische Familienväter, die keinen Beruf gelernt haben, können oft mehr an Wohlfahrtszahlungen als an Löhnen kassieren. Ein Torontoer Gewerkschaftführer mag daran gedacht haben, als er anregte, die Regierung Trudeau möge nun auch mit etwa 50.000 Dollar eine „Konferenz armer Arbeiter” finanzieren.

Aber Kanada hat eine weitere In Scäwderigkeiten lebend« Minorität zu verkraften. Der Weltkirchenrat hat 70.000 Dollar pro Jahr für ein Hilfsprogramm für die US-Kriegsdienstverweigerer in Kanada ausgesetzt, 10.000 Dollar davon sind als Jahresgehalt für Reverend Robert Gardner, den Vater von vier Kindern, be-

stimmt, der als Seelsorger nach Kanada geflohener US-Deserteure und Kriegsdienstverweigerer von Michigan nach Toronto kam.

In Kanada, einem Land ohne Wehr-pfliciit, gilbt es keine Statistiken über die Zahl der amerikanischen Deserteure und Kriegsdienstverweigerer. Die Schätzungen reichen von 50.000 bis 100.000. Das größte Kontingent hat sicii in Toronto (Bevölkerung 2,3 Millionen) niedergelassen.

blanche der Jungen brauchen ein Bett, andere benötigen Nahrungsmittel, während viele ,kids’ nur Auskünfte haben wollen; sie möchten wissen, was sie tun müssen, um in Kanada als Janded immigrants’ verbleiben zu können”, meint Reverend Gardner. Viele Vietnam-frustrierte junge Amerikaner wollen in Kanada eine neue, nicht von Konflikten zerrissene Heimat finden…

Mauer ohne Publicity

Der 49. Breitengrad, der Kanada von den USA trennt, war einst die längste ungeschützte Grenze der Welt. Die der Berliner Mauer ähnliche Sperre, die heute die beiden Länder trennt, wurde von der US-Regierung errichtet, um Kriegsdienstverweigerer davon atozuhalten, in Kanada Zuflucht zu suciien Sie reicht von der Bay at Fundy an der atlantischen Küste, bis zu der Straight of Georgia an der pazifischen Küste. Die Mauer hat einen Wachtposten für jede der 3989 Meilen und ist länger als jedes von Menschenhand geschaffene Werte, möglicherweise mit Ausnahme der großen Mauer von China.

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