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Die Entthronung der Erde

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Am 19. Februar 1973 jährte sich zum 500. Male der Geburtstag des berühmten Astronomen und Humanisten Nikolaus Kopernikus, dessen Forschungen und Erkenntnisse einer der gewaltigsten Veränderungen der Menschheitsgeschichte zum Durchbruch verhalfen. Seine historische Tat war die naturwissenschaftliche Begründung des heliozentrischen Weltbildes. In weiten Teilen der Welt wurden aus diesem Anlaß auf Empfehlung der UNESCO Kopernikus-Komitees gegründet. Der 19. Februar war zugleich der Eröffnungstag des „Kopernikus-Jahres“. Die Veranstaltungen und Jubiläumsfeierlichkeiten konzentrieren sich in besonderer Weise auf die in Polen liegenden Wirkungsstätten des Astronomen. In Warschau, Krakau und dem Geburtsort Thorn werden wissenschaftliche Symposien abgehalten werden, für die mehr als 3000 Wissenschaftler (besonders Astronomen und Physiker) ihre Teilnahme zugesagt haben. Außerdem ist ein Musikfestival geplant, das ausschließlich Werken der kopernikanischen Epoche gewidmet ist. Auch in Österreich ist ein Kopernikus-Komitee im Entstehen; in der Osterreichischen Nationalbibliothek wird eine „Koper-nikus-Ausstellung“ gezeigt werden.

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Am 19. Februar 1973 jährte sich zum 500. Male der Geburtstag des berühmten Astronomen und Humanisten Nikolaus Kopernikus, dessen Forschungen und Erkenntnisse einer der gewaltigsten Veränderungen der Menschheitsgeschichte zum Durchbruch verhalfen. Seine historische Tat war die naturwissenschaftliche Begründung des heliozentrischen Weltbildes. In weiten Teilen der Welt wurden aus diesem Anlaß auf Empfehlung der UNESCO Kopernikus-Komitees gegründet. Der 19. Februar war zugleich der Eröffnungstag des „Kopernikus-Jahres“. Die Veranstaltungen und Jubiläumsfeierlichkeiten konzentrieren sich in besonderer Weise auf die in Polen liegenden Wirkungsstätten des Astronomen. In Warschau, Krakau und dem Geburtsort Thorn werden wissenschaftliche Symposien abgehalten werden, für die mehr als 3000 Wissenschaftler (besonders Astronomen und Physiker) ihre Teilnahme zugesagt haben. Außerdem ist ein Musikfestival geplant, das ausschließlich Werken der kopernikanischen Epoche gewidmet ist. Auch in Österreich ist ein Kopernikus-Komitee im Entstehen; in der Osterreichischen Nationalbibliothek wird eine „Koper-nikus-Ausstellung“ gezeigt werden.

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Als der Krakauer Kaufmann Nikolaus Kopernigk, der Vater des berühmten Astronomen, in den Jahren zwischen 1458 und 1463 die Tochter des reichen Patriziers und Thorner Schöffen Lukas Watzelrode heiratete, stand die damals überaus reiche Hansestadt Thorn unmittelbar vor neuerlichen kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem Ordensstaat des Kreuzritterordens, dessen Übergriffe zu erbitterten Reaktionen der Bevölkerung führten. In dieser bewegten Zeit wurde Nikolaus Kopernikus als jüngstes Kind seines gleichnamigen Vaters am 19. Februar 1473 in Thorn geboren. Seine älteren Geschwister waren der Bruder Andreas, der die geistliche Laufbahn einschlug, und die beiden Schwestern Barbara und Katharina.

Über die ersten Lebensjahre des Nikolaus Kopernikus ist wenig bekannt. Als 1483 der Vater des Astronomen starb, wurde die Familie vom Bruder der Mutter, dem Bischof von Ermland, Lukas Watzelrode, finanziell unterstützt. Dieser ermöglichte Nikolaus den Besuch von Schulen und der Universität in Krakau. Als Kopernikus 1491 dorthin kam, stand die von Humanismus und Renaissance beeinflußte Wissenschaft bereits in voller Blüte, so daß er eine Fülle von Anregungen für seine astronomische Arbeit und für seine große Entdeckung erhielt. Obwohl Kopernikus später die geistliche Laufbahn an der Seite seines Onkels, des Bischofs, einschlagen sollte, studierte er nicht Theologie, sondern Jus, Philosophie, Medizin, Astronomie und Mathematik. An der Krakauer Universität studierte Kopernikus vier Jahre lang, als ihn sein Onkel, Bischof Lukas Watzelrode, zum Kanoniker von Frauenburg machen wollte. Als der Bischof jedoch in den Reihen seiner Kanoniker auf Widerstand stieß, schickte er seinen Neffen zu Studien nach Italien.

Nach Studien in Bologna, Rom, Padua und Ferrara, wo er den Titel eines „Doktors der Dekrete“ (nicht beider Rechte!) erwarb, kehrte Nikolaus Kopernikus gegen Ende des Jahres 1503 nach Polen zurück. Dort wurde er Sekretär und Arzt seines Onkels. Obwohl Kanoniker, dürfte Kopernikus — nach dem derzeitigen Stand der Forschung — die Priesterweihe nicht erhalten haben. Zwischen den vielen Reisen und den verschiedenartigen Beschäftigungen, die mit seiner Arbeit als Sekretär und mit der Sorge um die Gesundheit seines Onkels verbunden waren, fand Kopernikus dennoch Zeit für seine wissenschaftliche und literarische Arbeit. Um das Jahr 1507 entstand der „Commentariolus“, der erste Abriß über das heliozentrische System von theoretischem Charakter. Bereits hier vertritt Kopernikus den Grundsatz von der Bewegung der Erde: „Die Erde also dreht sich mit den ihr anliegenden Elementen in täglicher Bewegung einmal ganz um ihre unveränderlichen Pole.“ Der Commentariolus stellte eine erste Skizze dar und war vom Autor nicht für den Druck vorgesehen, sondern nur seinen Freunden bekannt.Wahrscheinlich nach dem Tode seines Onkels (1512) übersiedelte Kopernikus von Frauenburg, dem Sitz des Kapitels von Ermland. Er war Kanzler und Visitator der Kapitelgüter und führte die Aufsicht über die wirtschaftlichen Unternehmen des Kapitels. Einen großen Teil seiner Zeit widmete Kopernikus der ärztlichen Hilfeleistung und beschäftigte sich auch mit der von Papst Leo X. in Angriff genommenen Kalenderreform. Durch die triste Wirtschaftssituation und die wachsende Geldentwertung gezwungen, bemühte er sich um Vereinheitlichung, Stabilisierung und Aufwertung des Münzsystems.

Trotz dieser vielseitigen Tätigkeit entstanden in diesen Jahren die ersten Bücher von Kopernikus' großem Werk „De revolutionibus or-bium coelestium“j (Uber die Umdrehungen der Himmelskörper). Während Kopernikus im ersten Buch die Hypothesen der Umdrehung der Erde, deren Kugelgestalt, die Heliozentrik des Alls und die Hypothese von der allgemeinen Gravitation aufstellt, beschäftigt sich das zweite mit mathematischen Berechnungen, das dritte mit einem Abriß der sphärischen Astronomie und einem Fixsternkatalog, und die weiteren Bücher mit der speziellen Theorie der scheinbaren und wirklichen Bewegungen der Sonne, der Erde, des Mondes und der Planeten.

Wahrscheinlich um das Jahr 1530 beendete Kopernikus sein das damalige Weltbild umstürzendes Werk. Wie Kopernikus später in seiner Widmung an Papst Paul III. schrieb, bewog „... mich die Verachtung, welche ich wegen der Neuheit und der scheinbaren Widersinnigkeit meiner Meinung zu fürchten hatte, fast, daß ich das fertige Werk ganz zur Seite legte“.

Inzwischen begann sich die Kunde von der Arbeit und den Entdeckungen des Kopernikus in der Welt auszubreiten und drang über den kleinen Kreis von Freunden des Astronomen und Gelehrten schon im Jahre 1533 bis in den päpstlichen Palast in Rom. Der in Rom residierende Bischof von Capua, Kardinal Schonberg, und Kopernikus' engster Freund, Bischof Giese, trugen maßgeblich zur Überwindung des Widerstandes bei, den Kopernikus der Veröffentlichung. und Drucklegung seines Werkes entgegenbrachte. Der Initiative des jungen, mit Kopernikus befreundeten Gelehrten Georg Joachim Rheticus ist es zu danken, daß sich der bereits alternde Astronom schließlich bereit erklärte, sein Werk herauszugeben. Kopernikus widmete das. Werk Papst Paul III., einem bekannten Verehrer der Astronomie, um auf diese Weise einen eventuellen Verdacht der Ketzerei von sich und seinem Werk abzuwenden. Als das Werk im März des Jahres 1543 in Nürnberg erschien, lag Kopernikus bereits schwr krank in Frauenburg darnieder. Zwei Monate später, am 24. Mai 1542, starb er an einem Blutsturz.

Kopernikus' Bedeutung besteht in der wissenschaftlichen Begründung des heute gültigen Weltbildes. Galileo Galilei hat 1626, also hundert Jahre später, inmitten der Gegenreformation, das kopernikanische System verteidigt. Dabei geriet er, zeitbedingt, in Schwierigkeiten mit der Inquisition. Sie nötigte ihn, den Erkenntnissen des Frauenburger Domherrn öffentlich abzuschwören.

Der große Schritt des Kopernikus in das All und dessen Gesetzmäßigkeiten hatte den Widerstand jener gefunden, welche die anthropomorphe Symbolsprache der Schöpfungsgeschichte für einen historischen Bericht im modernen Sinne nahmen. Es ging ihnen um die Entthronung der Erde, die den Messias getragen hatte. Das .muß man bedenken, um die Reaktion zu begreifen. Wohl waren schon im Altertum Zweifel am ptolemäischen Weltsystem geäußert worden (Philolaos), und die Möglichkeit geäußert worden, die Erde als bewegt und die Sonne als ruhend anzusehen. Kopernikus war jedoch der erste, der diese Gedanken durch langjährige Beobachtung und Berechnung erwies. Der Beweis konnte mit den damaligen primitiven Hilfsmitteln, ohne Fernrohr, nur unvollkommen gelingen, war aber ausreichend zur naturwissenschaftlich exakten Feststellung der Grundlagen seines neuen heliozentrischen Weltsystems, auf dem dann die folgende Astronomie und die Physik sicher weiterbauen konnten.

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