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Die Färöer bestimmen ihr Schicksal selbst

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Hoch oben im Nordatlantik, auf halbem Weg zwischen Norwegen und Island, liegt die Inselgruppe der Färöer. Sie gehört zum dänischen Königreich. Die achtzehn Inseln werden von nur 40.000 Menschen bewohnt. Aber denen ist es gelungen, ein solches Maß an Selbständigkeit zu erringen, daß ohne Übertreibung behauptet werden darf: Die Färinger bestimmen selbst, was auf ihren Inseln geschieht.

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Hoch oben im Nordatlantik, auf halbem Weg zwischen Norwegen und Island, liegt die Inselgruppe der Färöer. Sie gehört zum dänischen Königreich. Die achtzehn Inseln werden von nur 40.000 Menschen bewohnt. Aber denen ist es gelungen, ein solches Maß an Selbständigkeit zu erringen, daß ohne Übertreibung behauptet werden darf: Die Färinger bestimmen selbst, was auf ihren Inseln geschieht.

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Der oberste dänische Verwaltungsbeamte auf den Färöern, der „Reichsombudsmann“ Leif Groth, vergleicht seine Funktion mit jener eines Botschafters. Er muß in Kopenhagen um Verständnis für färöische Sonderwünsche werben. Im Lagting in Törs- havn, dem Parlament der Färöer, hat .er 3wąir Rede-, nicht aber Stimmrecht, und keinerlei Einspruchsmöglichkeit gegen Beschlüsse, die sich nicht mit den dänischen Vorstellungen decken.

Kopenhagen hat die Sonderstellung der Färöer anerkannt. Das läßt sich schon aus der ministeriellen Zugehörigkeit ablesen. Während es ein eigenes Grönlandministerium mit einem dänischen Minister an der Spitze gibt, sitzt Arni Olafsson, ein Färinger, als Konsulent für färöische Angelegenheiten im Außenministerium.

Die Basis für das Verhältnis zwischen dem Mutterland und seinem selbständigen Kind ist das Selbstverwaltungsgesetz von 1948. Es gibt Gemeinschaftsanliegen, Reichsanliegen, in denen die Entscheidungsgewalt bei Dänemark liegt, und Eigenanliegen, in denen die Färöer völlig autonom sind, aber es gibt derzeit nur ein Problem, das nicht nach dem Willen der Färinger gelöst ist. Die NATO-Beobach- tungsstation, ein wichtiger Teil des Frühwarnsystems, wird von Dänemark nicht aufgegeben, obwohl die friedhebenden Färinger, die keinen Militärdienst kennen, in einem Lag- tingsbeschluß feststellten,'daß sie die Anlagen entfernt haben wollten.

Der Status eines losen Bündnisses Dänemark-Färöer ist heute recht unumstritten. Keine einzige der sechs faroischen Parteien möchte derzeit das Band zwischen der Inselgruppe und Dänemark zerreißen. Aber bis auf die „Zusammengehörigkeitspartei“ haben alle die völlige Selbstverwaltung in ihren Zukunftsprogrammen stehen. Die „Republikaner“ sind es, die eine Lostrennung am hartnäckigsten Verfolgen. Finnbogi Isaksen, der republikanische Minister für Schule, Verkehr und Wohnbau, träumt von einer Zukunft ohne Dänemark und ohne Königin, aber auch er muß zähneknirschend eingestehen, daß die Monarchie auf den Färöern nach wie vor recht populär ist.

Im dänischen Folketing stellen die Färöer, ebenso wie Grönland, zwei regionale Vertreter. Es sind dies derzeit der sozialdemokratische Pastor Johan Nielsen und Pauli Ellefsen von der „Zusammengehörigkeitspartei“. Nielsen, mit wallendem Bart und dröhnender Rede, ist ohne Zweifel zur Zeit der populärste Färinger in Dänemark und beliebtes Interviewobjekt der Massenmedien, die sonst für die Färöer recht wenig Raum zur Verfügung stellen. Nielsen war übrigens der einzige aus der sozialdemokratischen Parteigruppe, der gegen eine Liberalisierung des Abtreibungsgesetzes stimmte.

Die Färinger entscheiden selbst, was bei ihnen geschehen soll. Gesetze, die in Dänemark Gültigkeit erlangen, werden dem Lageting vorgelegt und dort angenommen, verworfen oder auf die eigenen Gegebenheiten umgearbeitet. So hat man die dänischen Gesetze über Abtreibung und Pornographie nicht akzeptiert. Dagegen hat man etwa das Gesetz über die Witwenpensionen großzügiger gehalten als in Dänemark, weil man weiß, wie schwer es auf den Färpern für ältere Frauen ist, Arbeit zu bekommen.

Die Färöer haben auch mit einstimmigem Lagtingbeschluß den Anschluß an die EG abgelehnt. Man hätte sich als kleinstes Rädchen im großen Getriebe verloren gefühlt. Nun kann ,man bilateräl^ Vfe^han dl u n gęn in it djj“ Gemeinschaft führen und hofft da- dufdviauf StfridfÖhtechte im FisdliftW^’ der für die Existenz der Färöer das Ein und Alles ist. Er macht 95 Prozent des Exports aus.

Daß die Färöer mehr sind als ein dänisches Anhängsel wird auch international akzeptiert werden müssen. Sie haben statt des dänischen „DK“ das internationale Autokennzeichen „FR“ bekommen, haben eigenes Papiergeld, eigene Briefmarken und eine eigene ' Fahne. Und sie sind stolz darauf.

Als der Nordische Rat ein Treffen in Reykjavik abhielt, waren dort die Fahnen der fünf skandinavischen Staaten aufgezogen. Da drohte der mit der dänischen Delegation gekommene Lagmann Atli Dam, er müsse abreisen, werde nicht auch die färöische Flagge, das rot-blaue Kreuz auf weißem Grund, gehißt. Die Veranstalter glaubten an einen Witz des Regierungschefs. Am nächsten Tag war Atli Dam aber tatsächlich nach Hause gefahren.

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