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Dänemarks Minderheiten wohnen außerhalb, aber im Reichsverband

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Dänemarks Territorium erstreckt sich nicht nur auf die Gruppe von Inseln und Halbinseln, die in Europa das Bindeglied zwischen Mitteleuropa und dem Norden darstellt. Zu Dänemark gehören auch „Außenbesitzungen”: Grönland, die Färöer-Inseln und Bornholm, die Touristenattraktion vor der Küste Schwedens.

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Dänemarks Territorium erstreckt sich nicht nur auf die Gruppe von Inseln und Halbinseln, die in Europa das Bindeglied zwischen Mitteleuropa und dem Norden darstellt. Zu Dänemark gehören auch „Außenbesitzungen”: Grönland, die Färöer-Inseln und Bornholm, die Touristenattraktion vor der Küste Schwedens.

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Die Färöer haben den Schritt zur Selbstverwaltung bereits geschafft. Dänemark und die nordatlantische Inselgruppe bilden eine Reichseinheit, Dänemarks Königin ist auch das Staatsoberhaupt der Färöer, ein „Reichsombudsmann” vertritt die dänischen Interessen auf der Inselgruppe - aber was dort geschieht, das bestimmen die Färinger in immer wachsendem Ausmaß selbst. Verwaltung, Steuereinhebung, Handel, Kultur, Industrie, in all diesen Bereichen entscheiden die Färöer völlig autonom. In anderen Bereichen sind sie dabei, die Entscheidungsgewalt zu übernehmen, etwa im Schulwesen und bei der Polizei. Verteidigung, Außenpolitik und Rechtssprechung werden noch länger in dänischen Händen bleiben.

Die Färinger wählen ein eigenes Parlament, das Lagting, das mit der isländischen Volksvertretung um die Ehre kämpft, auf die älteste parlamentarische Tradition Europas zurückblicken zu können. Der „Vorgänger” des Lagting soll von den Wikingern schon im 9. Jahrhundert eingesetzt worden sein. Die Färöer haben eigene politische Parteien und eine eigene Regierung („Landstyre”). Für das dänische Folketing wählen die Färinger zwei Repräsentanten.

Die Sprache der Färöer ist skandinavisch, der isländischen ähnlich, aber doch in engerer Beziehung zum Dänischen und Norwegischen. Der Schulunterricht geht auf faröisch vor sich, doch schon in den untersten Klassen setzt ein intensiver Dänisch-Unter- richt ein, sodaß heute so gut wie alle Färinger fließend Dänisch sprechen. Das erleichtert ihnen die Integration, wenn sie aus Studien- oder Arbeitsgründen nach Dänemark übersiedeln. Wenn es die Färinger dennoch immer wieder zurück auf ihre Inseln zieht, dann ist das wohl mehr mit dem Reiz dieser ganz speziellen Region, als mit ihrer Diskriminierung in Dänemark zu begründen.

Die Selbständigkeit, die von den Färöern erreicht wurde, ist für Grönland, der Welt größte Insel, das Vorbild. Grönland wurde, nach 200 Jahren als Kolonie, seit 1953 ein gleichberechtigter Teil Dänemarks, aber ein Großteil der grönländischen Bevölkerung ist mit diesem Status unzufrieden. Zwar ist die Zahl derer, die eine völlige Trennung von Dänemark anstreben, sehr gering, aber der Wunsch nach Selbstbestimmung, unter Beibehaltung des Reichsverbandes, ist ausgeprägt. Dänemark kommt diesem Wunsch entgegen. Eine „Selbstverwaltungskommission”, aus dänischen und grönländischen Politikern zusammengesetzt, berät derzeit über Modus, Form und Grenzen der Unabhängigkeit Schon in zwei Jahren soll Grönlands Selbstverwaltung beginnen.

Heute hat Grönland zwar einen eigenen Landesrat, aber er hat bei weitem nicht die Kompetenzen des färöi- schen Lagting. Auch Grönland wählt zwei Regionalvertreter in das dänische Folketing, doch das politische Leben auf der Insel steckt noch in seinen Anfängen; Erst kürzlich wurde die erste politische Partei des Landes, „Siu- mut”, gegründet. Die Entscheidungen über Grönland werden heute noch im Grönland-Ministerium in Kopenhagen gefallt.

Vermutete Ölfunde vor der grönländischen Küste haben dem wirtschaftlich unterentwickelten Grönland neues Selbstvertrauen gegeben. Die Frage, wer denn eigentlich über die Ausbeutung der Bodenschätze bestimmen dürfe, ist demnach auch das entscheidende Problem bei den Verhandlungen um eine Selbstverwaltung. Man dürfte sich wohl auf ein gegenseitiges Vetorecht einigen.

Grönlands Bevölkerung besitzt zwar die dänische Staatsbürgerschaft und alle dänischen Bürgerrechte; aber die Integration ist noch nicht voll ge lungen. Schon die Sprache ist ein Handikap. Die Eskimosprache Grönlands hat keine gemeinsame Wurzel mit dem Dänischen, die zahlreichen dänischen Lehrer auf Grönland verstehen die Muttersprache ihrer Schüler nicht. Während die Färöer ihre eigene Lebensqualität entwickelt haben, ist auf Grönland beim allzu hastigen Versuch Dänemarks, die Eskimotradition mit dem supermodernen Wohlfahrtsstaat zu vermengen, viel verdorben worden.

Die Insel Bornholm hat diese Probleme nicht. Dort ist die Bewegung für ein größeres Maß an Selbstbestimmung noch sehr schwach. Bornholm ist ein Teil Dänemarks, eine Insel wie viele andere auch - nur liegt sie etwas weiter vom Mutterland entfernt. Bornholm hat keine speziellen „Regionalvertreter” im dänischen Parlament, es ist ein gewöhnlicher Wahlkreis. Der bekannteste Politiker, der von dieser Insel stammt, ist Dänemarks enfant terrible Mogens Gli- strup.

Schließlich lebt - außer zahlreichen Gastarbeitern - eine weitere ethnische Minderheit in Dänemark: die Deutschen in Südjütland - oder Nordschleswig, wie sie selbst es nennen. Die Grenze zwischen Deutschland und Dänemark wurde durch Volksabstimmung nach dem Ersten Weltkrieg gezogen; zurück blieben Minderheiten auf beiden Seiten der Grenze. Dänemarks Deutsche haben ihre eigenen Schulen, ihre Zeitung, ihre Kirche und eine enge Verbindung zur BRD, von der die deutschen Aktivitäten zum Großteil finanziert werden - genauso wie Dänemark die Dänen jenseits der Grenze unterstützt. Eine minderheitenfördernde Politik betreibt Dänemark nicht, in den Vorträgen mit Bonn heißt es nur lakonisch, daß für die deutsche Volksgruppe die gleichen Staatsbürgerrechte gelten wie für die Dänen.

Für die politische Repräsentanz sorgt eine „Schleswig-Partei”, die eine Kooperation mit den dänischen „Zentrumsdemokraten” eingegangen ist und einen von deren Abgeordneten stellt. Das Leben der Minderheit — nicht ganz 20.000 Menschen - könnte völlig unproblematisch sein, wenn da nicht alte Vorurteile das Dasein erschweren würden. Südjütland war durch viele Jahre ein umkämpftes Gebiet, und der Nationalgedanke lebt dort stärker weiter als im übrigen Dänemark. In der jüngeren Generation, die weder die Zeit unter deutscher Verwaltung vor 1919, noch die deutsche Besatzung während des Zweiten Weltkrieges miterlebt hat, ist glücklicherweise eine nüchternere Haltung zur Frage der Nationalität zu beobachten.

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