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Die ÖAF erwarb Graf & Stift

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Im März wurde von der österreichischen Automobilfabriks-AG (ÖAF) bekanntgegeben, daß sie im Zuge der Konzentration auf dem österreichischen Nutzfahrzeugsektor eine qualifizierte Mehrheit (mehr als 90 Prozent) der Aktien der Graf & Stift Automobil- fabrik-AG, Wien, erworben habe. Diese Firma, die älteste Autofabrik Österreichs und eine der ältesten Europas, befand sich bisher ganz im Besitz der Nachkommen ihrer Gründer: 1895 begannen die Brüder Carl, Heinrich und Franz Graf in ihrer Fahrradwerkstätte einen Wagen zusammenzustellen, der mit einem vorne eingebauten, wassergekühlten, 3,25 PS stehenden De-Dion-Motor ausgestattet war. Es war der erste Wagen der Welt mit Frontantrieb (er steht heute im Wiener Technischen Museum) und trug den Erbauern auf der ersten Wiener Automobilausstellung 1901 eine Silbermedaille ein. 1902 wurde durch einen Vertrag zwischen den Brüdern Graf und Willy Stift die Firma Graf & Stift gegründet und in Sievering mit dem serienmäßigen Autobau begonnen. 1911 setzte die Lastwagenerzeugung ein, Hauptabnehmer war das österreichische Heer; nach 1918 wurde das Unternehmen durch seine luxuriösen Personenwagen auch über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt. Im zweiten Weltkrieg mußte die Fabrikation von Personenwagen eingestellt werden; zuletzt baute Graf & Stift im Sieveringer Chassiswerk und im Karosseriewerk Liesing Omnibusse und Lastwagen in Sonderausführung.

Mit dem Erwerb der Aktienmehrheit dieser traditionsreichen österreichischen Automobilfabrik durch die ÖAF ist eine kontinuierliche

Fortführung und ein Weiterausbau des Produktionsprogrammes gewährleistet, die künftige gemeinsame Reparatur- und Ersatzteilorganisation von ÖAF und Graf & Stift bietet ein dichteres Kundendienstnetz und dadurch eine umfassendere Kundenbetreuung in ganz Österreich.

Bis 1957 gab es in Österreich vier Lastwagenwerke, die alle um die Jahrhundertwende gegründet worden waren: Graf & Stift,die ÖAF, die „österreichischen Saurerwerke“ und die Steyr-Daimler-Puch-AG. Vor 14 Jahren hat Steyr die Saurerwerke zu 97 Prozent erworben, letztere bauten jedoch unter dem repu- tierten Namen weiter. Erst im Vorjahr konnte auf Grund des Strukturänderungsgesetzes die völlige Integrierung erfolgen, womit ein klangvoller Name unserer Autogeschichte von der Bildfläche verschwand. Ebenfalls im Vorjahr wurde die seit 1934 bestehende Zusammenarbeit zwischen der MAN und der ÖAF (damals begann der Lizenzbau von MAN-Mo- toren) auf eine neue Grundlage gestellt, da die nur in kleinen Stückzahlen bauende ÖAF durch die damalige Baukrise in die roten Zahlen gekommen war. Das gleiche galt übrigens von Graf & Stift. Nunmehr ist die Austro- MAN an dem auf 30 Millionen Schilling erhöhten Kapital der ÖAF mit einem Drittel beteiligt. Hauptaktionär ist die MAHA, Ma- schinen-Handels-AG, Vaduz.

Es steht vorläufig noch nicht fest, was bei der Zusammenarbeit zwischen ÖAF und Graf & Stift für die Zukunft geplant ist. Für 1971 soll das bisherige Produktionsprogramm bei Graf & Stift weitergeführt werden, auch in der Geschäftsführung soll sich nichts ändern:

Graf & Stift gehört zu den wenigen Autofabriken unserer Zeit, die noch von den unmittelbaren Nachkommen ihrer Begründer geführt werden, wie Ford in den USA. Der jetzige Firmenchef, Dipl.-Ing. Rudolf Graf, ist ein Sohn des Zweitältesten der obgenannten Brüder, Heinrich, während Helmut, ein Vertreter der dritten Generation, ein Enkel des Ältesten, Carl Graf, eine der Firma nahestehende Autovertretung leitet.

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