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Die Titellösung

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Es ist ein Jammer. Die Gymnasien bersten vor Schülern, die HTL's, die HBLA's, die HAK's und so weiter detto, na und auf der Uni, da sollen die Studenten schon übereinander sitzen, weil sie nebeneinander nicht mehr Platz haben. Alles studiert, will studieren, aber warum nur, wo doch so mancher Akademiker im besten Fall als Taxler einen Job bekommt, wenn er Glück hat.

Andere stehen überhaupt ohne auf der Straße. Und trotzdem dieser Run! Warum nur? Ist es der unstillbare Wissensdurst unserer Jugend? Ist es die phänomenale Intelligenz unseres Nachwuchses, die nicht zu bremsen ist?

Ist es die Faszination der Wissenschaß vor der das Studentenvolk in die Knie sinkt? Was ist es nur, was unsere Jugend ihre wertvollsten Jahre bereitwillig opfern läßt, um zu den Brüsten der Weisheit zu drängen?

Ganz einfach, es sind die Titel, ja, die Titel, und nichts als die Titel... - Es hilft nichts, der Mensch fängt halt erst beim Doktor an, dagegen ist noch immer kein Kraut gewachsen. Jegliche bildungspolitische Initiative und Reform steht und fällt demnach wohl oder übel mit den akademischen Titeln. Gelingt es nämlich, dieses Streben nach solchen Titeln via Schule und Universität umzulenken, dann haben wir die Überfüllung dieser unserer Bildungseinrichtungen im Griff.

Die Lösung liegt einzig und allein in einer Vorverlegung der Titelverleihung auf den Zeitpunkt gleich nach der Geburt, was dann den beschwerlichen und kostspieligen Umweg über die Uni erspart.

Der kleine Erdenbürger bekommt schon in seinen ersten Lebens tagen einen Namen, der ihn schicksalhaft bis zum Ende seiner Tage begleitet. Warum nicht auch gleich einen Doktortitel, oder einen Dipl. Ing. oder wenigstens einen Mag.? Die frischgebackenen Eltern wissen doch am besten, welcher Titel zu ihrem Sprößling paßt.

Na und wer ganz sicher gehenwill, der verleiht halt gleich einen Doppeltitel, Dr. Dr. vielleicht oder Dipl. Ing. Dr., auch Prof. Dr. macht sich recht gut. So kann man sicher nichts falsch machen. Damit hat jeder Erdenbürger seinen Titel, und dieses Zweiklassensystem aus Titelträgern und Nichttitelträ-gern ist endlich passe. Keiner kann mehr hinunterschaun auf die titellosen Nackerpatzeln, keiner braucht mehr aufschaun zu den titelgeschmückten Oberen.

Ach, wird diese Gleichheit was Schönes!

Nur eine Ausnahme muß gemacht werden, ein Titel darf nie und nimmer der Allgemeinheit zum Fraß vorgeworfen werden: der „Hofrat". Er, die Krone aller Titel, der Schlagobers auf dem Kaffee des Titelalltags, der Hofrat muß nach wie vor verliehen werden.In aller Bescheidenheitwürde ich vorschlagen, daß nur derjenige den Hofrat bekommt, und zwar den wirklichen, der so phänomenale Ideen hat wie ich.

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