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Die „neue Armut“

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Eine bereits quasi-totale Sozialpolitik ist heute bemüht, alle sozialen Großgruppen und so gut wie alle Standardrisiken in ihren Sorgebereich einzubeziehen.

Dieser Sachverhalt läßt vermuten, daß jener Versorgungsstatus, den man als Armut klassifiziert, zumindest in den Lebensregionen der Wohlfahrtsgesellschaften so gut wie völlig liquidiert worden ist. Überdies dürfte es aus der Natur der Sache heraus weder in der Wohlfahrtsgesellschaft noch in ihrer bürokratischen Entsprechung, im Wohlfahrtsstaat, so etwas wie Armut geben; nicht einmal als Grenzerscheinung.

Wenn aber trotzdem auch für die Wohlfahrtsgesellschaft eine ihr geradezu inkorporierte Armut angenommen wird, dann -lediglich als Hinweis darauf, daß die Versorgungsstruktur der Wohlfahrtsgesellschaft das Vorhandensein einer Sok- kelgruppe anzeigt, deren Angehörige unter Bedachtnahme auf das Durchschnittseinkommen relativ versorgt sind.

Nun zeigen uns aber Felduntersuchungen in Südamerika und in Frankreich, daß gerade eine massenweise Wohlfahrt auch in einer neuen Erscheinungsweise von Armut reflektiert wird, welche die Experten, um sie von der klassischen Armut zu unterscheiden, als „neue Armut“ kennzeichnen.

Produkt der Massenwohlfahrt

Das wesentliche Merkmal der Armut neuer Art ist, daß sie nicht mehr die Natur des gesellschaftlichen Versorgungsprozesses reflektiert und, wie ehedem, das typische Schicksal der „Eigentumslosen“ ist. Ebensowenig entwickelt sich die neue Armut — wie im 19. Jahrhundert — in Korrelation zu den Wirtschaftszyklen, die sich auch in konformen Anbot-Nachfrage-Relationen auf den Arbeitsmärkten widerspiegeln.

Im Gegenteil:

Die neue Armut ist das Produkt einer Massenwohlfahrt, ein Bodensatz des Überflusses.

Die Ursachen für den Weiterbestand, wenn nicht für eine punktuelle Expansion einer Armut neuer Art, eines residualen Pauperismus, sind vor allem im Sachverhalt grundgelegt, daß die neuen Armen keine Adressaten sozialpolitischer oder fürsorgerischer Maßnahmen sind oder sein wollen.

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