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Politische Apathie

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Laufende Umfragen bestätigen persönliche Eindrücke und besagen in Summe, daß das Interesse an der beginnenden Wahlbewegung gering und die Politikmüdigkeit der Bevölkerung groß sind. Und dies, obwohl die kommende Wahl die spannendste seit langem zu werden verspricht, weil nicht nur ihr Ausgang angesichts der großen Zahl noch Unentschlossener ungewisser denn je ist, sondern auch das politische Ergebnis in Form der Regierungsbildung noch keine ausgemachte Sache ist. Die Frustration der Menschen gegenüber der Politik und den Politikern ist bereits so angewachsen, daß nicht einmal eine Entscheidung von solcher Tragweite aufzurütteln und Energien zu mobilisieren vermag. Der Gleichmut der Wähler steht jedenfalls in einem eklatanten Gegensatz zu der mehr oder weniger künstlichen Aufregung der Politiker, für die es um viel geht und die daher trotz fehlender Stimmung für viel Lärm sorgen.

Doch man kann dieser politischen Apathie weiter Kreise der Bevölkerung auch positive Aspekte abgewinnen: in der Ersten Republik waren die Menschen auf allen Seiten leidenschaftlich engagiert, aber auch fanatisch und intolerant. Demgegenüber nimmt sich die Lethargie von heute geradezu sympathisch aus.

Nichtsdestoweniger ist es für die Demokratie bedrohlich, wenn die Anteilnahme der Menschen am politischen Leben unter einen bestimmten, nicht leicht quantifizierbaren, aber erfühlbaren Pegel sinkt. Und deshalb sollten wir alle alles in unserer Macht Stehende tun, um dieser Verdrossenheit entgegenzuwir- ken. Dieser Appell richtet sich freilich in erster Linie an die Politiker, die durch ihr Tun und Lassen wesentlich zur herrschenden Enttäuschung und Ernüchterung beigetragen Haben. Da Politik heute mit überzeugenden Persönlichkeiten steht und fällt, müssen die Politiker alles tun, um der nicht nur für sie persönlich, sondern auch für die Demokratie gefährlichen Tendenz zur Entpolitisierung entgegenzuwirken und so durchsichtiger Demagogie den Boden zu entziehen. Zwischen den schädlichen Extremen von Lethargie und Fanatismus muß wieder einmal die rettende goldene Mitte gefunden werden.

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