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Ein Familienfest

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Zu einer besonders schönen, weil intimen Feier, hatte die Gesellschaft der Musikfreunde zu später Stunde nach dem Sonatenabend David Oistrachs mit Paul Badura-Skoda in den Kammersaal geladen. Der Anlaß war die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft der Gesellschaft an den unumstritten bedeutendsten Geiger der Gegenwart. Dieser thronte — ein erfreulicher Anblick — wie ein Patriarch auf einem kleinen Podium in einem bequemen Sessel. Zu seinen Füßen: seine Frau, der Sohn Igor und die Schwiegertochter, Pianistin Natalja Zertsalowa, sowie viele Musiker und Musikfreunde, unter ihnen auch der Programmdirektor des Hörfunks Dr. Hartner und Musikchef Dr. Sertl.

Die Laudatio hielt der neue Präsident der Gesellschaft der Musikfreunde, Prof. Dr. Horst Haschek, im Zivilberuf Vorstand einer Abteilung der Wiener Poliklinik. Er wurde im Juli 1972 von der Vollversammlung der Musikfreunde als Nachfolger von Alexander Hryntschak gewählt und setzt damit die Reihe berühmter Wiener Ärzte fort, die sich als Musiker oder Mäzene hervortaten. Seine mit Würde und Eleganz gehaltene Ansprache unterschied sich wohltuend von vielen anderen Exkursen dieser Art. Präsident Haschek erinnerte an Fakten, an künstlerische Ereignisse, die nur noch den Älteren unter den Zuhörern lebendig im Gedächtnis sind. War doch David Oistrach der allererste große Gast von auswärts, der nach einem Auftreten im Zeremoniensaal der Hofburg noch im Juli 1945 als Solist in einem Konzert der Philharmoniker unter der Leitung von Prof. Fritz Sedlak das ihm gewidmete Violinkonzert von Chatschaturjan spielte. Und damit konnte der Festredner zum Wesentlichen überleiten: David Oistrach war und ist nicht nur Virtuose, sondern auch ein eminenter Musiker. Prokofjew, Schostako-witsch, Chatschaturjan und andere Komponisten waren oder sind seine Freunde, die ihm Werke gewidmet haben. Für seine umfassende künstlerische und pädagogische Tätigkeit wurde er mit dem Ehrendoktorat der Universität Cambridge ausgezeichnet, er ist Ehrenmitglied der Akademie Stockholm, Ehrenprofessor der Akademie Budapest — und nun auch der Gesellschaft der Musikfreunde.

Seit seinem ersten Auftreten in Wien hat Oistrach hier sein begeistertes, mit ihm sympathisierendes Publikum. Es bewundert nicht nur den Virtuosen, sondern liebt an ihm noch etwas anderes, Höheres, das Präsident Dr. Haschek folgendermaßen formulierte: „Aus Oistrachs Spiel ist die Bescheidenheit spürbar, mit der sich der Künstler den Werken der großen Meister nähert, sein nachschöpferisches Bemühen, ihr Wesen zu erfassen und zu gestalten.“ Oistrach dankte in bewegten Worten, zumal er in der Liste der Ehrengäste der Gesellschaft der Musikfreunde drei Vorgänger, drei Landsleute fand, von denen einer der Pianist Rubinstein war.

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