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Ein Kampf an der falschen Front

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Der Pressedienst der Bundeswirtschaftskammer (PBK) jubelt: „Durch die neuerliche Zurückstellung der von Finanzminister Ferdinand Lacina vorgelegten Zollgesetznovelle, die eine Verdoppelung der Reisefreigrenzen von 1.000 auf 2.000 Schilling vorsieht, konnte ein massiver Kaufkraftabschluß aus Österreich zumindest vorerst verhindert werden.” Insgesamt widmet der PBK dieser existentiellen Frage 58 Zeilen. Zum Vergleich: Die Handelskammerreform war tags darauf dem PBK bloß 35 Zeilen wert.

Keinem vernünftigem Österreicher wird es gleichgültig sein, daß - wie vom Handel behauptet - 15 Milliarden Schilling an Kaufkraft durch den Einkaufstourismus ins Ausland abfließen. Nur: dafür sind 1.000 oder 2.000 Schilling Zollfreigrenze so relevant wie eine Kartoffel für die Ernährung eines Elefanten. Daß der Vorschlag für die Anpassung - die 1.000 Schilling gelten immerhin seit 1971! -vom nicht gerade als Verschwender verrufenen Finanzminister Ferdinand Lacina kam, sagt darüber mehr als tausend Worte. Wer erinnert sich nicht noch an die Öffnung der Ostgrenzen, als die Österreicher in Ungarn so heftig Salami und in der Tschechoslowakei solche Mengen von Butter einkauften, daß dort der Ernährungsnotstand ausbrach? Und der Versuch, an unseren West- und Südgrenzen emsthaft die Einhaltung der Zollfreigrenzen zu kontrollieren, wäre der Anfang vom Ende des Urlaubslandes Österreich. Zollfreigrenzen erzeugen in der speziellen Situation Österreichs bestenfalls schlechtes Gewissen: 1.000 Schilling ein bißchen mehr, 2.000 etwas weniger.

Viel zielführender wäre es, würden der Handel und seine Interessensvertretung für Waffengleichheit mit der Konkurrenz jenseits der Grenze kämpfen: Also gleiche Rahmenbedingungen bei der Steuer- und Sozialgesetzgebung und - man wagt es kaum auszusprechen -bei den Ladenöffnungszeiten. Schließlich sind wettbewerbsfähige Preise der einzige wirkungsvolle Schutz gegen den Abfluß von Kaufkraft. Wenn die Butter in Freilassing nicht oder nur unwesentlich billiger als in Salzburg ist, wird sich niemand mehr die Einkaufsfahrt antun.

So besehen ist auch der Hinweis auf die Gegenseitigkeit - die Zollfreigrenze der Deutschen liegt bei 800 Schilling -, die zuerst verwirklicht werden müsse, bestenfalls ein Pausenfüller: Die Gefahr, daß sich Deutsche in Österreich mit Elektronik oder Lebensmitteln eindecken, hielte sich angesichts des hiesigen Preisniveaus auch ohne jegliches Regulativ in Grenzen...

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