7033999-1989_41_21.jpg
Digital In Arbeit

Ein modernes Wunder

Werbung
Werbung
Werbung

Hier liegt das Buch eines Menschen vor, dessen Leben durch und durch aus „Taten“ besteht. Wenn Faust davor zurückschreckt, den Logos als „Tat“ zu übersetzen, weil er sie nicht in dem Maße von Geist und Liebe durchdrungen vorstellen kann, wie es der Logos erfordert, Wladyslaw Bartoszewski hätte Faust bekehren können. Inmitten einer Welt des Hasses in Auschwitz im Warschauer Aufstand, in stalinistischen Gefängnissen hielt Bartoszewski unerschütterlich an der Menschenliebe fest, ein Wunderzeichen, dem ein anderes antwortet und begegnet: Er überlebte all diese Höllen. Von Station zu Station steigert sich seine Verantwortung, seine Opferbereitschaft. Der Verschonte, sein Leben als Geschenk entgegennehmend, wird schonungslos gegen sich selbst. „Ich habe nie in Gesellschaft gesprochen, um mich wichtig zu machen. Ich wollte das nicht erzählen.“ Das „ungewollte“ Wort inmitten der Bücherschwemme mit so vielen mutwilligen Worttiraden, das macht seine Selbstbiographie zu einem Lehrbuch der Anständigkeit. Dieses Titelwort des Buches kann vielseitig gedeutet werden. Es bleibt dem Leser überlassen, ob er in Bar-toszewskis tiefschürfenden Analysen über Antisemitismus, über den Sinn der Geschichte, entweder den Humanisten und Katholiken, oder den sendungsbewußten und daher im Sinne der europäischen Idee opferbereiten Polen sieht. Alles zusammen ergibt das, was Bartoszews-kis Scheu vor großen Worten zusammenfaßt: Es lohnt sich, anständig zu sein.

ERFAHRUNGEN MEINES LEBENS. Von Wladyslaw Bartoszewski. Herausgegeben von Reinhold Lehmann. Herder Taschenbuchverlag 1989.256 Seiten, öS 116,20.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung