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Ein Standardwerk

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Was tritt an die Stelle von demolierten Traditionen? Kann die dicke Schminke der Nostalgie, können bunt historzistische Hadern vom Flohmarkt das ausgelöschte Geschichtsbewußtsein ersetzen?

Die vielbemühte Bewältigung der Vergangenheit kümmert sich doch nur um Entscheidungen, mit denen sie die Gegenwart indirekt be- oder entlastet. In dem Werk von Donald G. Daviau aber handelt es sich um die Geschichtlichkeit des Menschen, dargestellt an einem bedeutenden österreichischen Phänomen: Hermann Bahr.

Ein Buch zur rechten Zeit, und dies nicht aus kalendarischen Gründen: Hermann Bahr starb 1934. Dieser „Mann von Ubermorgen", immer seiner Zeit um einige Jahre voraus, verdankte seinen Spürsinn der Verwurzelung im Gestern und Vorgestern. Denn von Renaissancen, von Wiedergeburten, lebt die Kultur alle Tage, Naissancen jedoch sind in der Kunst ebenso geheimnisvoll wie in der Biologie die Urzeugung.

Der amerikanische Germanist Daviau, (mehrfach in Österreich geehrt und ausgezeichnet), sieht Hermann Bahr im Zusammenhang der Kulturgeschichte als Sammellinse vieler divergierender Strahlungen.

Souverän wird das weitläufige Material über den Bühnenautor, Romancier und Katalysator der Moderne vermittelt. Vielleicht ist Daviaus behutsame, jede Uberfolgerung vermeidende, jede Folgerung sorgfältig belegende Darstellung die einzig mögliche, um dem Verwandlungskünstler Bahr beizukommen.

Jedenfalls ein Buch, das mit dem vernachlässigten Bahr zugleich auch einen vernachlässigten Aspekt ins Bewußtsein hebt. Denn das Theatralische, Mimische, die schützende Ideenmaske vor der Nacktheit des Gesichts ist ja nicht nur ein Vehikel des Theaters, sondern auch jener Kämpfe, aus denen die Geschichte besteht.

DER MANN VON UBERMORGEN. Hermann Bahr 1863 - 1934. Von Donald G. Daviau. Österreichischer Bundesverlag. Wien 1984. 279 Seiten, Ln., öS 298,-.

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