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Einseitig wider die Banalität

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Es gehört wohl zu den allgemein menschlichen Erfahrungen, daß der Alltag mit seinen Anforderungen uns als Persönlichkeiten immer mehr bestimmt. Aus Angst, ihn und das Leben überhaupt zu sehr zu hinterfragen, flüchten wir gerne, wie Rainer Maria Rilke sagt, in „erlernte Gebräuche", die für einen selbst und die Mitmenschen anscheinend beruhigend, tatsächlich aber zudeckend wirken. In seltenen Augenblicken allerdings erkennt man erschreckt die daraus folgende Empfindungsarmut.

Diese Probleme analysiert und ironisiert Gabriele Wohmann (1932 in Darmstadt geboren) in ihren Ehegeschichten „Das Salz, bitte!" Das Wort Salz dient hier als Metapher für Alltagsleben und unreflektierte Selbstverständlichkeit, nicht als jene der Würze. Es sind fast nur Männer, die sich in ihren Usancen wie in einen Kokon eingesponnen haben. Die Frauen dagegen verkörpern Eigenschaften wie Phantasie, Gefühl, Einmaligkeit, Aufgeschlossenheit und Ausbruch aus der Routine. Aber genau vor diesen Dingen empfinden die Herren, als tragisch-komische Gegenpole, große Angst und tiefe Unsicherheit. Sie haben vollkommen verlernt, mit ihren Empfindungen umzugehen, bedürfen oft des Psychiaters und wirken auf die feminine Seele „dürr und grauenhaft". Es gelingt daher keinem der Paare, eine wirklich berührende Harmonie zu erleben.

Leserinnen werden bei diesen Geschichten oft wissend lächeln. Doch bei zu rascher Lektüre empfindet man eine zu große Schwarz-Weiß-Male-rei: Nicht alle Männer sind so unsensibel, und nicht alle Frauen besitzen ein so differenziertes Gefühlsleben.

Lob gebührt der Sprache der Schriftstellerin. Die Sätze sind kurz und anscheinend einfach formuliert, aber sehr einprägsam. Auffallend ist der vordergründig ironische Stil, der zum Lachen und bewundernden Erstaunen anregt, sehr wohl aber die Tragik des Geschehens durchschimmern läßt.

„DAS SALZ, BITTE!" Ehegeschichten. Von Gabriele Wohmann. Piper Verlag, München 1992. 297 Seiten, öS 280,80.

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