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Wehe den Siegern!

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Als der alte Zdarsky in der Lilienfelder Gegend auf zwei Brettern und mit einem Stock den Schnee aufwirbelte, ahnte er so wenig wie Coubertin, der Wiedererwecker der Olympiaidee, welche Lawine von sportlichen Tugenden — und Untugenden — er damit auslöste.

Natürlich haben sich in dem damals neuen Sport die Alpenländer an die Spitze gesetzt. Wuchs doch der Sport wie noch heute dort mit den Kindern auf, die sich auf Bretteln mit der Schul- oder Einkaufstasche sozusagen auf die Beine machten. Das gebar ganz ungezwungen eine Fülle von Naturtalenten, deren Auslese wie von selber zum Spitzen- und Leistungssport aufrückte, Einzelpersönliohkeiten also, deren Idol in dem sagenhaften Kitzbüheler Goldhamster Toni Salier gipfelte. Natürlich war man in Österreich stolz auf ihn, aber die Saga berichtet, daß ihn Franzosen und Schweizer nach einem Erfolg nicht weniger herzlich beglückwünschten als seine Landsleute.

Gerade das nun aber hat sich in den letzten Jahren zu ändern begonnen. Ein Wurm, besser zwei Würmer fraßen sich in den alpinen Skisport und vergifteten die reine Luft des Fair play.

Es muß bei aller kulturellen und sportlichen Freundschaft offen gesagt werden, daß Sportfrankreich den einen Wurm, den Nationalismus, hochgezüchtet hat. Denn die Franzosen sind die ersten, die, angestachelt von den langjährigen Serienerfolgen der Österreicher, unter dem Schlachtruf „Totaler Skilauf“ durch Aufblähung einer reichdotierten gigantischen staatlichen Organisationsmaschinerie mit einem eigenen Ministerium Spitzenfahrer sozusagen in der Glasröhre züchteten und damit heuer erstmals die böse Konkurrenz, die sie jahrelang nicht hatte schlafen lassen, niederfuhren.

Der zweite Wurm ist übernational, sozusagen eine eigene Nation: das Geschäft. Sicherlich mögen nationale Erfolge bis zu einem gewissen Grade den Absatz von heimischen Skiern, Bindungen — und Skilehrern fördern.

Aber hier liegt eine Gefahr für Österreichs Sport: sich von diesen Zügen überrollen zu lassen. Österreichs Spitzensportler waren niemals Homunculi aus der Retorte des Kommerzes oder des Nationalismus, sondern immer rätsei- und launenhaft geborene Geschöpfe der Intuition des Unberechenbaren.

Im Skisport sind wir einfach derzeit, wie übrigens auch im Fußball, „nicht dran“. Ein Malheur? Eine nationale Katastrophe? Erst, wenn wir uns von den genannten Würmern an- und auffressen lassen. Wehe den Besiegten? Nein. Dann: Wehe den Siegern! Denn sie hätten den Sport gemordet.

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