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Geistesprovinz

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Woraus schöpfen österreichische Studenten ihr Wissen? Aus Büchern. Wie halten sich Geistes- und Naturwissenschaftler auf dem laufenden? Durch Bücher. Und vor allem durch Bücher jüngeren Datums. Und woher haben sie die Bücher? Natürlich aus öffentlichen Bibliotheken. Aus den Universitätsbibliotheken, aus der Nationalbibliothek.

Vergleicht man aber die Beträge, die Österreichs Bibliotheken für Buchankäufe zur Verfügung stehen, mit dem, was anderswo auf diesem Gebiet getan wird, kann man sich nur darüber wundern, daß unser wissenschaftlicher Informationsstandard gegenüber dem anderer Länder nicht stärker abfällt, als es ohnehin der Fall ist.

Die Bayerische Staatsbibliothek ist keineswegs die reichste Bibliothek Europas. Trotzdem konnte sie in den letzten Jahren für Buchankäufe allein fast so viel Geld ausgeben wie Österreichs sieben wichtigste Universitätsbibliotheken mitsamt der Nationalbibliothek zusammengenommen: 19 Millionen Schilling gegenüber insgesamt 20 Millionen bei den genannten österreichischen Bibliotheken.

Und das Verhältnis wird nicht besser, sondern schlechter. Als Reaktion auf die höheren Buchpreise stiegen die Bibliotheksdotierungen bei der Bayerischen Staatsbibliothek um fast 30 Prozent, hierzulande um weniger als 10 Prozent.

Und so weit ist es bereits: Allein die Handschriften- und die Orientalische Sammlung in München haben mehr Geld für die Vermehrung ihrer Bestände als die Bibliotheken der Wiener Technischen Hochschule und der Linzer Universität. Allein der Handschriftensammlung der Bayerischen Staatsbibliothek stehen 4,4, der ganzen österreichischen Nationalbibliothek nur 4,5 Millionen zur Verfügung. Allein für Buchbinderkosten wird in München fast so viel ausgegeben wie in Österreich für die Buchankäufe der Universitätsbibliotheken von Wien, Graz und Salzburg zusammen. Wen wundert es da noch, daß in Österreich zwar alle älteren Werke von einiger Wichtigkeit in den Bibliotheken vorliegen, hingegen immer mehr wichtige Werke neueren Datums fehlen. Sie konnten halt leider nicht gekauft werden.

Für Wegwerfschulbücher steht ein Vielfaches dessen zur Verfügung, was den wissenschaftlichen Bibliotheken dieses Landes fehlt. Denn Bücher zum Wegwerfen sind populär. Die Anliegen der Wissenschaft waren es in Österreich schon lange nicht mehr — und sind es heute offenbar weniger denn je. Noch sind wir keine geistige Provinz. Aber auf dem Weg dorthin sind wir schon längst.

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