6616925-1955_37_08.jpg
Digital In Arbeit

Wo Welt und Wahrheit sich kreuzen

Werbung
Werbung
Werbung

Das Drama führt in Konflikte, die vom Irdischen her nicht versöhnt werden können. Das liegt sowohl in seinem Ursprung wie im Wesen der dramatischen Form, die streitende Personen und Mächte in ihrem Eigenrecht gegeneinandersteilt; der Kampf wälzt sich bis an den Rand des Daseins, die Erde. Die Antwort, die über dem Abgrund des Absturzes vernehmlich wird, ist Sache des Dichters und seiner Zeit, der religiösen und geistigen Welt, in der er steht, der Gesamtheit, an die er sich wendet. Denn ohne eine solche in ihrer geschichtlichen Gegebenheit ist kein Drama möglich. Sucht die Tragödie aber die Person auf dem Boden der Geschichte, so kann sie dem Christentum nicht entgegen sein, das Gott als Person in seiner geschichtlichen, die Geschichte wendenden Existenz verehrt. Hier soll die Rede sein von dem christlichen Konflikt zwischen Welt und Wahrheit als einer Wurzel des Dramas.

Wo Welt und Wahrheit sich kreuzen, steht der Christ. Sie kreuzen sich in einer jeden Zeit auf eine besondere Weise, und eben dadurch werden Kreuz auf Kreuz eingegraben in diese Erde als die unvermeidbaren Zeichen des Heils. Die Darstellung dieses Konflikts in seiner zerstörenden Schmerzhaftigkeit ist dem Drama vorbehalten; in ihm stoßen die lebendigen Mächte, Rechte, Argumente mit einer den Zuschauern unwidersprechlich einfordernden Wucht körperhaft zusammen. Das kann, es muß vielleicht auf verschiedenen Ebenen geschehen; der Streit verlagert sich von Plattform zu Plattform, bis auf dem letzten Gebirgsgrat, zwischen Diesseits und Jenseits, ja oder nein gesprochen werden müssen. Damit gelangen wir zu einer christlichen Dramaturgie, deren Prinzip der Vollzug der göttlichen Wahrheit wider di Welt ist — mit dem ahnenden Blick auf die Rettung der Welt durch die Wahrheit und durch das Opfr für sie. Drama ist dann Wahrheitsvollzug.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung