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Goldoni hätte sich gefreut

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„Die Zwillinge aus Venedig“, die Goldonis früher Schaffenszeit angehören und noch deutlich in der Tradition der Commedia dell'arte stehen, wurden bisher im deutschsprachigen Raum wenig gespielt: Es gab lange keine gute Übersetzung des im Dialekt geschriebenen Werkes, den deutschen Schauspielern entsprach die virtuose, lebhafte Spielweise der italienischen Stegreifkomödie wenig. Oswald Fuchs hat der Inszenierung am Tiroler Landestheater — seiner zweiten dieses Stückes, nach der sehr erfolgreichen im Mannheimer Natio-rualtheater im letzten Jahr — die neue Übersetzung von Heinz Riedt zugrunde gelegt.

Der Regisseur tritt nicht in die Fußstapfen seiner italienischen Kollegen, sondern verschiebt das Gewicht eindeutig auf die realistischen Züge, auf den Aspekt der Charakterkomödie. Er umgeht alle Klischees der Commedia dell'arte und gibt dem Stück ganz im Sinne der späteren Theaterreform Goldonis mehr Tiefe. Der Autor selbst strebte ja Natürlichkeit und moralischen Gehalt an, der damaligen aufgeklärten französischen Dramatik und seinem großen Vorbild Moliere gemäß. Damit geht Fuchs etwas über das hinaus, was in dem Stück angelegt ist. Aus einer Commedia dell'arte, die das schon bei Plautus bekannte Motiv der dauernd verwechselten Zwillinge in turbulente Handlung umsetzt, macht der Regisseur eine echte Komödie, dabei kann er auf dem problematischen und nicht ganz heiteren Schluß aufbauen, den der Dichter aus der Com-media-Tradition herausgeführt hat. Besonders auffällig ist die Sorgfalt, mit der Fuchs alle Ansätze zu Charakteren in den Typen ausleuchtet, womit er ihnen eine stärkere Individualität gibt. Goldonis Grazie, die Menschen zu durchschauen und ihnen mit gutmütigem Spott, lächelnd, ihr Spiegelbild zu zeigen, wird in dieser Inszenierung deutlich sichtbar: Da es dem Regisseur, bei aller Vitalität des Spiels, nicht auf bloße szenische Bewegtheit ankommt, erwächst die Komik aus Dialog und Verhaltensweisen.

Die ausgezeichnete Ensembleleistung, mit Fritz Hörtenhuber in der Doppelrolle der Zwillinge an der Spitze, brachte das eigenständige, ausgefeilte Regiekonzept voll zum Tragen, dessen hervorstehendstes Verdienst es ist, Klischeevorstellungen abzubauen. Die Nähe zu den großen Lustspieldichtern Moliere und Shakespeare wird deutlich — Gol-doni wäre mit dieser Inszenierung glücklich gewesen.

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