6797103-1971_15_21.jpg
Digital In Arbeit

Hamlet bleibt

19451960198020002020

„Der Versuch, die eigene Identität zu Anden, beinhaltet das Risiko, sie zu verlieren“, schreibt Peter Henisch. „Die Tradition, das Totalitäre und der Tod stehen der subjektiven wie kollektiven Bewegung unser selbst auf uns selbst zu entgegen. Menschen wie Hamlet reagieren auf diese Erkenntnis wie Kaninchen auf den Blick der Schlange, und wenn sie aus ihrer Erstarrung erwachen, wird ihnen die Richtung der Flucht zum Problem.“ Also: Hamlet bleibt… Bleibt er wirklich?

19451960198020002020

„Der Versuch, die eigene Identität zu Anden, beinhaltet das Risiko, sie zu verlieren“, schreibt Peter Henisch. „Die Tradition, das Totalitäre und der Tod stehen der subjektiven wie kollektiven Bewegung unser selbst auf uns selbst zu entgegen. Menschen wie Hamlet reagieren auf diese Erkenntnis wie Kaninchen auf den Blick der Schlange, und wenn sie aus ihrer Erstarrung erwachen, wird ihnen die Richtung der Flucht zum Problem.“ Also: Hamlet bleibt… Bleibt er wirklich?

Werbung
Werbung
Werbung

„Fluchtversuch“ — „Hamlet bleibt“ — „Hamlet, ein Zyklus in 4,5 Akten“ nennt Henisch drei Anläufe, die um das Thema Ich- Verlust, Bewußtseinsspaltung kreisen. Ist Hamlet ein „Abweichler“, der Sabotage verdächtig, und Ophelia ein „Miststück“, die ihren „pittoresken Selbstmord“ nur markiert hat? Das ist der zentrale Fragenkomplex, den Henisch in 107 Seiten sprachlich bedeutungsschwer vor dem Leser ausbreitet.

Sein Hamlet kehrt nicht nach Dänemark zurück, sondern lebt sein „Ausländerdasein“ in England, eine parodistische Existenz, die es darauf abgesehen hat, Historie und Histörchen lächerlich zu machen, und die, in einer gleichsam schizophrenen Spaltung, durch mehrmalige Umkehrung sich quasi immer neu konstituiert und wieder aufhebt. Aber ist das nicht ein Roman mit autobiographischen Zügen? Man möchte es fast glauben, wenn man Henischs Photo als Hamlet mit dem Totenkopf betrachtet, der, in Betrachtung seines eigenen Spiegelbildes versunken, über seine Existenz und ihre Aufhebung meditiert.

Peter Henisch, 1943 in Wien ge boren, Student der Psychologie, Philosophie, Geschichte und Germanistik, hat bisher vor allem in den Zeitschriften „Literatur und Kritik“, „Neue Texte“, „Neues Forum“ publiziert. Er ist Lyrikredakteur der Monatszeitschrift „Neue Wege“ und Redakteur des aggressiv-bunten „Wespennests“. Bei S. Fischer erschien nun in der Reihe „aus der reihe…“ sein 1969/70 entstandener Roman „Hamlet bleibt“, ein zweiter Band wird demnächst folgen.

Formal bietet der Roman drei „Anläufe“, die im Grunde einander bedingen und auseinander hervorgehen. Sie öffnen den Blick auf ein und dasselbe Zentrum: „Hinter einem anderen her, begegnet man sich selbst… Wie wird man sich selbst als inneren Widerstand los?“ usw… Aufschlußreich ist vor allem die Abteilung „mögliche schlußkapitel“: Wie sich was auch ereignen mag, was man sich auch vorstellen mag, wie die alte Welt auch aus den Fugen geraten mag… Es bleibt alles in Ruhe in Ordnung .. „wird nichts wesentliches ändern, denn vor der tür draußen (alpträumt hamlet) steht nichts neues, sondern nur die neue besetzung des ewigselben parts unter der sonne:

fortinbras, siegreich zurück aus polen“.

Das heißt: alle Spekulationen und Spaltungen münden letztlich in das zentrale Nicht-Können der problematischen Existenz, die sich im Nicht-Handeln ereignet und bestätigt: „hcee in den knie- kehlen / sonne im hintern / erwartet hamlet / die erlösung.“

HAMLET BLEIBT. Roman von Peter Henisch. Band 11 der Reihe „aus der reihe…“, S.- Fischer-Verlag, Frankfurt am Main, 107 Seiten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung