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Hausverstand statt Theorien

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Die Diskussionen der Ökonomen, in elitären Zirkeln wie vor Publikum, laufen derzeit, zu welchem Thema auch immer, nach folgendem festgefügten Ritual ab:

Zunächst beruft sich ein Teilnehmer (meist ein Dinker", der das Schuldenmachen wissenschaftlich rechtfertigen will, indem er dazu „deficitspending" sagt) auf den verewigten englischen Nationalökonomen Keynes.

Worauf ein anderer (dramaturgisch richtigerweise ein .fiechter") flink einwendet, so habe das Keynes gar nicht gemeint, man müsse halt den ganzen Keynes lesen und im übrigen sei das Werk Keynes auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten der Zwischenkriegszeit abgestellt.

Dann repliziert der Angegriffene, selbstverständlich habe man das Lehrgebäude Keynes weiterentwickelt und im übrigen seien die Lehren Keynes immer noch mindestens so aktuell wie die des — noch lebenden — amerikanischen Ökonomen Friedman (der Leitfigur der Monetärsten).

Worauf der fechte" mit Sicherheit von sich weist, ein reiner Monetarist zu sein und die ,JSupply-side-econo-mics" ins Gespräch bringt.

Von hier weg gibt es dann mehrere Gesprächsvarianten, die aber nicht verfolgt zu werden brauchen, da sie unerheblich sind. Sollte ein Zuhörer zu diesem Zeitpunkt noch wach sein, wird er irgendwann noch das seufzend vorgetragene Einbekenntnis vernehmen, das die Wirtschaftswissenschaft ratloser denn je ist.

Vorbei sind die Zeiten wo über „Global- oder Feinsteuerung?" diskutiert und die europäischen Wachstumsraten auf zwei Dezimalen in einem Festakt in Brüssel festgelegt wurden'. Die praktische Wirtschaftspolitik orientiert sich immer weniger an den Gesetzen Keynes oder Friedmans und immer mehr an denen des Hausverstandes. Und dieser legt, so will mir scheinen, auch links-lastigen Wirtschaftspolitikern eine marktwirtschaftliche Orientierung nahe. Es ist jedenfalls auffallend, wie emotionslos prominente sozialistische Politiker in letzter Zeit über Marktwirtschaft sprechen.

Mit Ausnahme von Bundeskanzler Kreisky und Jusochef Cap versucht auch kaum jemand die gegenwärtigen Schwierigkeiten dem marktwirtschaftlichem System in die Schuhe zu schieben. Im Gegenteil: Viele Wirtschaftspragmatiker der Regierungspartei bekennen sich angesichts des offenkundigen Scheiterns aller planwirtschaftlichen Experimente ohne Scham zum Marktmechanismus als wirkungsvollste Therapie gegen die derzeitige Krise. Ich hoffe, sie kommen auf den Geschmack und werden auch in besseren Zeiten nicht rückfällig.

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