"Der Kerl, der auf alles eine Antwort wusste"

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Als US-Präsident Franklin D. Roosevelt im Spätherbst 1932 zum Präsidenten der krisengeschüttelten USA gewählt wurde, erhielt er ein Glückwunschschreiben der besonderen Art. In der New York Times erschien ein Leserbrief, der den Präsidenten zunächst beglückwünschte und mit der Aufforderung schloss: "Ich halte massive staatliche Interventionen für den einzigen Ausweg aus der Depression." Gezeichnet: John M. Keynes. Nicht, dass Roosevelt und sein Stab den englischen Ökonomen sehr sympathisch gefunden hätten. Der Wirtschaftsberater Roosevelts, Harry Hopkins, bezeichnete ihn als jenen "Kerl, der auf alles eine Antwort weiß". Doch im Grunde tat Roosevelt genau das, was Keynes gefordert hatte. Wenn man so will, befindet sich die Weltwirtschaft derzeit erneut im Keynes-Laboratorium.

Das eigentlich Zentrum seiner Lehre bildet das Streben nach dem "Good Life", dem ethisch guten Leben, wie es sein Lehrer, der Philosoph George E. Moore, vertreten hatte. Moore glaubte fest an die Segnungen des menschlichen Verstandes. Der junge Diplomat Keynes profilierte sich nach diesem Leitbild 1919 mit einem Traktat über die zerstörerische Wirkung des Friedensvertrages von Versailles, bei dem Deutschland nach Keynes Meinung viel zu hohe Entschädigungszahlungen auferlegt worden waren. Keynes warnte schon damals vor Demagogen und Verführern, die sich in Berlin aufgrund der Not an die Macht putschen könnten.

Dass seine Warnungen in den Wind geschlagen wurden, scheint Keynes nur noch beflügelt zu haben. Ab 1930 widmet es sich ausschließlich den Maßnahmen zur Bekämpfung wirtschaftlicher Rezession. Er zeigt, dass es nicht nur einen stabilen Kreislauf von Angebot und Nachfrage geben kann, sondern auch einen von Massenarbeitslosigkeit und Deflation. Die Kernfrage ist aber: Warum sollte der Mensch wirtschaftliche Katastrophen durch bloßes Nichtstun bekämpfen können? Ökonomen, die solches behaupteten, richtet Keynes geistige Faulheit aus: "Es ist eine zu einfache Aufgabe wenn Wirtschaftsgelehrte in stürmischen Zeiten lediglich mitteilen können, dass das Meer, sobald der Sturm vorüber ist, wieder glatt sein wird." Affronts wie diesen hat ihm die klassische Ökonomie bis heute nicht verziehen. Am Donnerstag wäre John M. Keynes 126 Jahre alt geworden. (tan)

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