7073140-1993_08_16.jpg
Digital In Arbeit

„Herr oder Frau Ministerialrätin”?

Werbung
Werbung
Werbung

„Du hörst mir wiedermal nicht zu...!”. Helga, meine geliebte Frau, blickt nach vorne mit Zorn und hält anscheinend nicht viel von Osborn und seinem „Blick zurück ohne Zorn”. Wir stehen im Badezimmer, ich balanciere in der linken Hand eine Tube namens Zahncreme (bitte, keine Schleichwerbung) und in der rechten die elektrische Zahnbürste (auch ganz ohne Werbung) und versuche, meine Restzähne zu säubern.

Ein Mundvoll Zahncreme hindert mich an der. Antwort, aber nicht Helga an ihrer nächsten Feststellung: „Sicherlich, schreibst du wieder an einem Artikel...!” Bitte, wie soll ein Mensch mit Zahncreme und Zahnbürste in der Hand einen Artikel schreiben...?!

Endlich ist es soweit, ich kann meiner Frau antworten: „Ich schreibe keinen Artikel, sondern habe an dich und an deine ehemalige Schülerin, die Kindergärtnerin Maria gedacht, die nur mehr ,Frau Stiegnitz' zu dir sagt.”

„Ja.” Helga nicht nachdenklich, „das ist wirklich komisch.”

Und so entsteht eine kleine Geschichte für das Hohe Gleichberechtigungsministerium: Vor unserer Ehe war Helga „Magister”, „Professor” und „Direktor” und wurde auch von ihrer ehemaligen Schülerin, der Kindergärtnerin Maria, zumindest mit einem dieser Titel angesprochen. Weil es gar nicht so schlecht ist, wenn im Unterrichtsministerium auch Pädagogen sitzen, ist Helga dort „Ministerialrat” und - wenn auch ohne jede Kausalität - meine Frau geworden.

Dann kam, fast über Nacht, die große, langangekündigte Verwaltungsreform. Als eine der wichtigsten Maßnahmen dieser Reform wurden die Amtstitel der weiblichen Beamten feminisiert und so wurde auch Helgas Büronamensschild von „Ministerialrat” auf „Ministerialrätin” geändert. Damit wurde dem dringendsten Bedarf der Verwaltung genüge getan, und die einschlägigen Kommissionen zogen sich aus der praktischen Arbeit zurück.

Die Verwaltungsreformerinnen haben es mit Helga gut gemeint, sie haben nur nicht mit der verblüffenden Reaktion der Kindergärtnerin Maria gerechnet, die einen, zumindest für Österreich eigenartigen Karrierean-redebogen beschrieb: Aus „Frau Magister”, „Frau Professor”, „Frau Direktor” und „Frau Ministerialrat” wurde keine „Frau Ministerialrätin”, sondern schlicht und einfach eine „Frau Stiegnitz”.

Wozu, so frage ich mich und die Verwaltungsreformerinnen des hohen Gleichberechtigungsministeriums, wurde die ganze Feminisierung der Amtstitel durchgeführt? Daß die Hüterin der Kindergartensprößlinge mich immer mit „Herr Doktor” und manchmal sogar mit „Herr Ministerialrat” anspricht, erwähne ich nur nebenbei, um die ministeriellen Gleichbehandlerinnen nicht allzu sehr zu ärgern.

Ich stehe immernoch im Badezimmer, allerdings ohne Zahncreme und denke laut nach: „Bisher gab es einen .Herrn Ministerialrat' und eine „Frau Ministerialrat'; jetzt gibt es eine „Frau Ministerialrätin” - warum also keinen „Herrn Ministerialrätin”?

Meine geliebte Frau, die sich innerlich längst mit ihrer ehemaligen Schülerin versöhnte, schaut mich verständnislos an: „Hast du keine anderen Sorgen...?”

„Glücklicherweise nicht”, kommt meine Antwort, „und außerdem hast du recht: Warum sollte ich keinen Artikel daraus machen; vielleicht bringt ihn die FURCHE.”

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung