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Herzmanovsky und die Bühnenwirklichkeit

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„Kaiser Joseph und die Bahnwärterstochter“, die bezaubemd-skurüle Groteske auš der unerschöpflichen Schatztruhe des Fritz von Herzma- novsky-Orlando, wirkt am faszinierendsten beim Lesen. Auch die erfinderischeste Inszenierung vermöchte nicht den Charme der Imagination zu vermitteln, den allein schon die Regiebemerkungen des Autors ausstrahlen. Friedrich Torberg hatte für die Bühne seinerzeit die Konsequenzen daraus gezogen: mit radikalen Strichen und Textumstellungen gelang ihm ein passables Theaterstück, das man vor zwanzig Jahren im Akademietheater bestaunen konnte. Jetzt, zwei Jahrzehnte danach, soll es der ganze Herzmanovsky sein, im dreiaktigen Original und ungekürzt, als Uraufführung zu Ehren der 850 Jahre alt gewordenen Stadt Graz.

Aber Torberg wußte schon, warum er Herzmanovskys phantastischen Wildwuchs beschnitt. Die zwar auch nicht ganz originale Form, die nun im Grazer Schauspielhaus herausgebracht wurde, gibt dem Bearbeiter recht: Die Wirklichkeit der Bühne verlangt ein konzises Stück, keine Monstersammlung im Dialog zerflat- temder Bonmots, keine unzusammenhängende Reihe absurder Situationen. War der erste Teil des Abends mit der Bearbeitung noch fast identisch, so lahmte der zweite, am Schönbrunner Hof spielende, doch beträchtlich durch eine Abfolge kurzer Dia logszenen, die oft nur einer einzigen mehr oder minder geglückten Spa- ßigkeit ihre Existenz verdanken. Trotzdem war das Vergnügen an der Aufführung groß dank der sehr behutsam und mit viel Literaturverstand Text und Aktionen ordnenden Regie Peter Lotschaks, den bezaubernden Dekorationen Jörg Koßdorffs und der hintergründig naiven Ute Radkohl in der Konradi-Rolle der Nozerl. Otto David war ein Kaiser Joseph voll subtiler Selbstironie.

Das Cafehaustheater im Redouten- saal des Schauspielhauses, das im Vorjahr mit Goethe-Hacks’ „Jahrmarktsfest in Plundersweilen“ für die ganze Saison ausgesorgt hatte, dürfte auch heuer wieder einen Dauer-Hit haben. Diesmal geht’s um Karl Valentin, der nun doch seinen fixen Platz im Repertoire des Theaters zu bekommen scheint. Martin Schlagenhauffs Montage von Szenen, Monologen und Liedern ist in ihrer scheinbaren Improvisation und ihrer Simultanbühnenatmosphäre ein überaus geglückter Versuch, das Phänomen Valentin wenigstens abrißartig zu beschwören. Trotz aller Slapstickereien, die durchaus ihre Berechtigung haben, bleibt doch in jeder Nummer der bittere Pessimismus der Valentin’schen Absurditäten beklemmend spürbar. Daniel Reinhard und Brigitte Slezak sind die Protagonisten in einer hervorragenden Ensembleleistung.

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