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In vielen Seelen

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Der Hans wird also ein Dreivierteljahrhundert alt.

Das begreif ich nicht.

In meiner Vorstellung, die auch durch den Augenschein nicht beirrt wird, ist er immer noch_gin angehender Vierziger, so wie seinerzeit, als ich ihn kennenlernte — aber freilich, damals erschien er uns, die der Krieg als junge Naive entlassen hatte, ungeheuer alt, reif und wissend; da war er für uns ein von langen Wanderungen heimgekehrter Guru, der wußte, wie die Welt „da draußen“ und was Literatur und Theater war, und all das und vieles andere auch zu lehren verstand, in kurzen Sentenzen, Beharrlichkeit und unbestechlicher Liebe.

Die Jahrzehnte seither haben, wie seltsam, an dieser Beziehung nichts geändert. Er ist fünfundsiebzig, ich gehe schnell auf den Sechziger zu, wir treffen einander jetzt nur mehr selten, eigentlich nur noch, wenn er wieder eine jener Auszeichnungen erhält oder eine von diesen Ehrungen erfährt, die ihm schon vor fünfundzwanzig Jahren gebührt hätten — aber für mich ist er immer noch der Lehrer und Guru von damals; es hat ja jeder Mensch seine geheimen Ratgeber und Kontroll- figuren, an die er denkt, ehe er was schafft oder entscheidet: „Würde es dem oder jener gefallen? Würde er zustimmen können, wenn ich das so oder so mache?“ Oder auch: „… dem wird er nicht zustimmen - aber würde er es respektieren?“

Der Hans ist bis zum heutigen Tag eine solche verborgene Instanz für mich, eine sehr mächtige sogar, und aus der Erfahrung fast eines Menschenlebens kann ich sagen, daß seine unausgesprochenen Urteile stets richtig waren.

Ich nehme an, daß ich nicht der einzige bin, der zum Hans Weigel in einem solchen Verhältnis steht. Er hat vor einer Generation eine ganze Generation geprägt; seither sitzt er als unbestechlicher und liebevoller Richter in vielen Seelen.

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