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Kein Ensemble verletzt

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Wiederum sorgt das Haas- Haus-Neubauprojekt für Schlagzeilen, der Polemik sollte daher der Versuch einer objektivierenden Wertung gegenüberge-

stellt werden. Schon im Jahr 1986 wurde das Projekt nach dem ersten veröffentlichten Entwurf von Hans Hollein ausdrücklich begrüßt (FURCHE 8/1986). Da mals wurde mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß dieser Entwurf nicht nur einen autonomen, in sich hervorragend gegliederten Baukörper versprach, sondern in exemplarischer Weise die ursprüngliche städtebauliche Situa tion im Nahbereich des Domes andeutete. Die entfachte Diskussion war ein Zeichen für das lebhafte Interesse der Öffentlichkeit, wenngleich bedauerlicherweise auch hiebei Polemik nicht ausblieb. Der plötzlich anmutende Abbruch des bautechnisch intakten Haas-Hauses förderte den Verdacht finanzieller Spekulationen, was wiederum Nährboden für einseitige Stellungnahmen bildete.

Nunmehr, vermutlich nicht ohne Berücksichtigung der Kritikerstimmen zustande gekommen, wurde ein zweiter Entwurf mit erheblichen Veränderungen gegenüber dem ersten Entwurf zur kommissionellen Bauverhandlung eingereicht. Es steht außer Zweifel, daß ein kreativer Gestalter wie Hans Hollein zu Modifizierungen auf entsprechendem Niveau fähig ist und daß selbst bei Reduktion sein Entwurf immer noch über eine höhere Qualität verfügt als viele andere architektonische Leistungen.

Dennoch, mag die innere Struktur des eingereichten Projektes hohe Qualität haben, mag sogar der Baukörper weniger heterogen als im ersten Projekt anmuten und in sich geschlossener wirken, so sind gerade diese Aspekte ge-

genüber dem ersten Projekt aus städtebaulicher Sicht als qualitätsverarmend anzusprechen.

Stufenförmige Formationen in Anlehnung an Hochhäuser in Chicago, und ein Flugdach wie auf einem Umbauprojekt der späten fünfziger Jahre auf der Spittelau- er Lände sind von geringerer Originalität als die kuppelförmige Bedachung des erkerartigen Turmprojektes aus dem ersten Entwurf oder die Hervorhebung in der Fassadenfläche.

Trotz dieser bedauerlichen Veränderungen gegenüber dem ersten Entwurf kann aber von einer Verletzung des Ensemblecharakters bei diesem immer noch qualitätsvollen Entwurf nicht gesprochen werden. Dies erst recht nicht angesichts des „architektonischen Niemandslandes“ aus den fünfziger Jahren, das das Gegenüber der Westfassade des Stephansdomes bildet.

Wenn es aber der Stadt Wien und dem Bauherrn ernstlich darum zu tun ist, Wien die Chance zur Verwirklichung eines exemplarischen Bauprojektes und zur Verbesserung des Niveaus der Gegenwartsarchitektur zu geben, dann wäre die Realisierung des ersten Entwurfes sehr zu befürworten.

Der Autor ist Diözesankonservator und Direktor des Diözesanmuseums in Wien.

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