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Ehrlich und gediegen

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Die Ereignisse, die mit dem Abbruch des Haas-Hauses am Wiener Stephansplatz und der Planung für den Neubau ausgelöst wurden, scheinen nunmehr einem neuen Höhepunkt zuzustreben.

Erinnern wir uns: Wie ein Paukenschlag wirkte damals ohne Vorwarnung die Nachricht, daß das noch vollkommen intakte Haas-Haus abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt werden soll, für dessen Planung Hans Hollein gewonnen werden konnte.Bürgerinitiativen wurden gegründet, Unterschriften gesammelt, das Aufstellen eines Modells wurde verlangt. Erste Planungsüberlegungen des Architekten — als Ergebnis intensiver Untersuchungen der historischen Grundlagen und in Form von städtebaulichen Massenmodellen vorgestellt — führten zu keiner Beruhigung. Das Haas-Haus wurde abgebrochen; ein Bauzaun wurde errichtet, der wie ein Pfau seinen Fächer vor den Abbruchwunden entfaltet. Dann breitete sich auf dem Bauplatzestille aus und in offiziellen Kreisen die Hoffnung, daß die Zeit aufgestaute Erregungen abkühlen würde.

Nun, nach gut einem Jahr, wur--den endlich .die neuen Entwürfe vorgelegt. Eine Ausstellung präsentierte die sorgfältig überarbeiteten Pläne des neuen Haas-Hauses.

Daß die nahezu dramatischen Entwicklungen um das neue Haas-Haus trotz bereits wieder erwachender Angriffe zu einem guten Ende finden, wäre aus folgenden Gründen zu hoffen und auch zu wünschen:

Von den vielen Möglichkeiten, die sich hier anbieten könnten — Zurückführung zur historischen Platztrennung, Rekonstruktion des von Van der Null und Sic-cardsburg errichteten Hauses, ein Bau nach den Vorstellungen von Hundertwasser oder Brauer, ein Entwurf im Stil des Neo-Historismus oder der Postmoderne -, hat Hollein die ehrlichste Möglichkeit gewählt: Ohne Aufgabe seiner städtebaulich, wie ich glaube, richtigen Grundidee wird mit größter Zurückhaltung Qualität geboten, die sich durch einfache Formen und sensible Gliederung auszeichnet. Elemente von Dekoration oder Anbiederung an den Dom werden vermieden.

Die Verbesserungen gegenüber dem vor einem Jahr vorgestellten Modell sind unübersehbar: Die als Turm mit Recht kritisierte Zäsur zwischen Stock-im-Eisen-Platz und Stephansplatz wird durch einen kreisförmigen in die Fassade eingebundenen Erker — eine in Wien oft angewendete Lösung — ersetzt. Die Anbindung an den Bestand erfolgt nicht mehr abrupt, sondern durch eine Verklammerung in Form treppenför-mig abgestufter Elemente. Auch die leicht geschwungene Form der Platzwand — konsequent in Verbindung mit der an ein Schnek-kenhaus erinnernden Struktur der inneren Organisation entwik-kelt - überzeugt mehr als jene im ersten Modell. Außerdem wird dadurch der Blickwinkel vom Graben zum Stephansdom erweitert.

Ganz bestimmt lassen sich einige Details, die im Rahmen des Gesamtkonzeptes nicht überzeugen, verbessern. Das betrifft etwa das Vordach im Anschluß an den vorkragenden Erker wie auch das aggressiv wirkende Schutzdach über dem Aussichtsrondeau. Wichtig scheint der Hinweis, daß die vorliegenden Projektunterlagen nur als Rahmen zu sehen sind und nicht annähernd die Qualität der Detailgestaltung vermitteln, die Holleins Bauten besonders auszeichnen.

Es wäre gerade in unserer Zeit, die — in allen Lebensbereichen fundamentlos geworden — immer stärker von den Turbulenzen ständiger Veränderungen geschüttelt wird, notwendig, irgendeinen Fixpunkt zu finden. So ein Fixpunkt könnte in diesem Fall das Vertrauen zu einem Architekten sein, der mit seinen bisherigen Arbeiten Qualität bewiesen hat.

Einigung über Fragen von Schönheit, Häßlichkeit und Qualität außerhalb meßbarer Kriterien wird kaum mehr erzielt werden können. Aber Demokratie hat nicht nur mit Mehrheit zu tun, sondern auch mit Toleranz und Vertrauen zu ihren qualifizierten Minderheiten.

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