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Stadt-Chance

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Mit allen Attributen einer Sensation ist in der Öffentlichkeit die Nachricht verbreitet worden, daß schon bald das sogenannte „Haas-Haus“ in der Wiener Innenstadt-in unmittelbarer Nähe des Stephansdomes - abgebrochen wird und Architekt Hans Hollein beauftragt wurde, Entwürfe für einen Neubau zu erstellen. Das an der Ecke von Stephansplatz, Stock-im-Eisen-Platz und Graben „vorkragende“ Haas-Haus wurde, nachdem sein von den Architekten Van der Null und Sic-cardsburg errichteter Vorgänger-Bau 1945 vollständig ausgebrannt war, nach den Plänen der Architekten Feilerer und Wöhrle in den Nachkriegsjahren ersetzt. In Material und Gliederung sind dem derzeitigen Gebäude eine gewisse Vornehmheit und wohltuende Zurückhaltung nicht abzusprechen—im Gegensatz zu den daran anschließenden Neubauten gleich gegenüber dem Hauptportal des Stephansdomes.

Wie erste Skizzen und Modellstudien von Hollein zeigen, soll mit diesem neuen Haus versucht werden, die im Laufe der Zeit verlorengegangene Gliederung zwischen den Plätzen und Straßen, wie sie deutlich den Stadtplänen auch noch des Jahres 1880 zu entnehmen ist, wieder erkennbar zu machen. Der Graben bekommt etwa dort, wo das berühmte Elefantenhaus stand, wieder einen Abschluß, der Stock-im-Eisen-Platz erhält durch eine vorspringende Gliederung des neuen Baukörpers eine räumliche Zäsur.

Hollein sieht aber seine Aufgabe nicht nur auf diesen einen Baukörper beschränkt, sondern weitet sie auch auf die Fronten der nicht gerade geglückten Fassaden gegenüber der Hauptfassade des Domes aus. Erfreulicherweise interpretiert er seinen Einzelauftrag für das neue Haas-Haus auch als Impuls für eine mögliche Erneuerung der gesamten Platzfassade. Seine dafür entwickelten Vorstellungen sind jedenfalls für Überraschungen gut.

Der Hollein-Neubau soll viele kleine Geschäfte in der Art eines kleinen, aber exquisiten Einkaufszentrums unter einem Dach vereinen, es ist auch an ein Restaurant, möglicherweise auch eine Galerie gedacht. Um seine Aufgabe ist der Architekt nicht unbedingt zu beneiden: Die Wiener sind gerade bei Veränderungen im Bereich der Innenstadt ungemein empfindlich. Das mit der Vergabe des Bauauftrages Hollein gegenüber gezeigte Vertrauen ist sicher berechtigt, der internationalen Anerkennung dieses Stararchitekten ist jedoch - Prophet im eigenen Land — keine repräsentative Aufgabe in seiner eigenen Heimat gefolgt. Die Chance zur Lösung dieses städtebaulichen Problems, die sich für Wien jetzt bietet, sollte genützt werden.

Der erfreulich frische Wind, der bereits in mehreren Außenbezirken Wiens in einer „neuen Architektur“ spürbar geworden ist, könnte jetzt auch auf das Stadtzentrum übergreifen. Hoffentlich weht er stark genug.

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