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Die Stimme Clemens Holzmeisters

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Die „österreichische Furche“ darf mit Genugtuung feststellen, daß ihrer Mahnung an die Öffentlichkeit und die zuständigen Stellen, den Problemen um Wiederaufbau und Neugestaltung des Stephansplatzes aus guten Gründen besondere Beachtung zu schenken, voller Erfolg zuteil geworden ist. Die Diskussion ist, vielleicht im entscheidenden Augenblick, allerorten in Gang gekommen und hat bis jetzt mit eindringlicher Deutlichkeit gezeigt, daß die öffentliche Meinung und die Mehrheit der Fachleute den Projekten des Stadtbauamtes entschieden ablehnend gegenüberstehen. Sie wenden sich fast einhellig sowohl gegen den Gedanken eines Hochhauses an der Graben-Stephansplatz-Ecke als auch gegen die Schaffung eines großen Stock-im-Eisen-Piatzes: die Uberbrückung der Goldschmiedgasse wird desgleichen ziemlich einstimmig abgelehnt. Es scheint uns, als ob angesichts des eindeutigen Urteils der Öffentlichkeit eine Revision der gefaßten Pläne und Beschlüsse von seilen der offiziellen Stellen nicht zu umgehen sein wird.

Im Nachfolgenden veröffentlicht die „österreichische Furche“ Auszüge aus einem Brief Professor Clemens H o 1 zmeisters an die Redaktion, in dem der große österreichische Architekt seine Stellungnahme zu dem „Fall Stephansplatz“ formuliert; eine bedeutsame Stimme, die schwerlich zu überhören sein dürfte.

Ankara, 14. Jänner 1950 '„Gestern las ich den Aufsatz in der österreichischen Furche' vom 7. Jänner .Geheimdiplomatie um den Stephansplatz'. Ihrer Stellungnahme in dieser mir einigermaßen bekannten Angelegenheit pflichte ich in allen Teilen bei. Ich möchte zu Ihrer Information Ihnen einiges über das Schicksal dieses Bauvorhabens mitteilen, füge aber hinzu, daß mir die letzten Entscheidungen im Rathaus unbekannt geblieben sind und es möglich ist, daß meine Mitteilung dadurch gegenstandslos geworden ist.

Kurz vor meiner Abreise von Wien, Ende Oktober, wurde mir mitgeteilt, daß die Bauherrschaft des Haas-Hauses am Stock-im-Eisen-Platz mir die Pläne für dieses Bauvorhaben zeigen möchte und ein Gutachten wünsche, da sie selber die schwere Verantwortung für die Verwirklichung nach dem vorliegenden Entwurf nicht auf sich nehmen könne. Es wurden mir daraufhin die Pläne des Architekten Appel vorgelegt. •

Dieses Projekt verwendet eine Idee, welche von Professor K. H, B t u n n c r stammt und ein Turmmotiv, städtebaulich als Gelenkselement am Übtrgangspunkt zwischen Graben und Rotenturmttraße gesetzt bezeichnet, verwendet.

Ich habe das mir vergelegte Projekt au drei Gründen abgelehnt: Erstens wegen des Turmmotivs, zweitens wegen des verfehlten Charakters dieses Geschäftshauses, das als BUroflan s getarnt wurde, und drittens wegen der im Grundriß völlig unmotivierten äußeren Gliederung des Hauses. Daraufhin wurde ich gebeten, in einer Skizze einen Gegenentwurf aufzustellen. Ich habe diese ausdrücklich nicht als Gegenobjekt, sondern als Vorschlag zur Besinnung für die weitere Arbeit meiner Schüler verfaßt. — Zu meiner in einigen Tagen verfaßten Skizze — ith lege Ihnen ein Photo von der Perspektive bei —: Ich konnte mich dem Hochhausgedanken an dieser Stelle nicht anschließen. Die ruhige Führung des Hauptgesimses, das durch die Nachbargebäude am Graben in seiner Höhe bestimmt ist, die weitere Durchführung der Linie des ausgebauten Dachstockes von eben demselben Nachbarhaus, schien mir angesichts gebotener Ruhe wesentlich. Andererseits wollte ich mit meiner Skizze, die noch weit weg von einem gereiften Entwurf ist, andeuten, daß die Bauaufgabe lautet: Repräsentatives Geschäftshaus, Teppichhaus, tnehrere Geschosse übereinander als Ver kaufträum und zwei weitere Geschosse als Büroräum. Wenn man aber der gegenteiligen Meinung wäre und glaubte, hier müsse vielleicht eine gezierte Fassade mit Barockfenstern stehen, dann hätte man einem Teppichhaus die Baubewilligung an dieser Stelle von vornherein abschlagen müssen. Meine Skizze wurde von der Bauherrschaft sehr gut aufgenommen.

Ein wichtiger Umstand für die Beurteilung ist noch zu erwähnen. Das Stadtbauamt hat die Baufluchtlinie an der Philipp-Haas-Ecke zum Schaden des Grundbesitzers um etwa sechs Meter zurückgeschoben. Angeblich aus verkehrstechnischen Gründen. Um die Bau' herrschaft für diesen Verlust einigermaßen zu entschädigen, will man ihr erlauben, einen Teil des Hauses hochhausmäßig über die gebotene Gesimslinie um einige Stockwerke zu erhöhen! (Anm. d. Red.: Darauf ist wohl auch die strikte Weisung des Stadtbauamtes zur Überbrückung der Goldschmiedgasse zurückzuführen.) Deshalb die geschlossene Haltung der Herren des Stadt-bauamtes zur Turmidee. .Anzuerkennen ist aber die selbstlose Einstellung der Bauherrschaft, die erklärt: wenn es für das Stadtbild entscheidend ist, auf den Aufbau weiterer Stockwerke über dem Hauptgesims zu verzichten, dann werden wir verzichten.' •

Mit besten Grüßen

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