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Niemand will Fischer von Erlach

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„Ein neues Opfer der Spitzhacke auf der Wieden“, „Aus jenem Wjen, das täglich ärmer wird“, „Margaretner beschämt die Behörden“, „Aufruf zur Rettung der Winterreitschule des Palais Rainer“, „Gebt Spenden für ein Stück Alt-Wien“, „Trotz Spitzhacke: Fassade gerettet“. — Solche und ähnliche Schlagzeilen konpte man im Sommer 1958 in den Wiener Zeitungen lesen. Es ging damals um die Rettung der Barockfassade des Winterreitschulgebäudes des Palais Rainer auf der Wieden; ein Werk Fischer von Erlachs aus dem Jahre 1711.

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„Ein neues Opfer der Spitzhacke auf der Wieden“, „Aus jenem Wjen, das täglich ärmer wird“, „Margaretner beschämt die Behörden“, „Aufruf zur Rettung der Winterreitschule des Palais Rainer“, „Gebt Spenden für ein Stück Alt-Wien“, „Trotz Spitzhacke: Fassade gerettet“. — Solche und ähnliche Schlagzeilen konpte man im Sommer 1958 in den Wiener Zeitungen lesen. Es ging damals um die Rettung der Barockfassade des Winterreitschulgebäudes des Palais Rainer auf der Wieden; ein Werk Fischer von Erlachs aus dem Jahre 1711.

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Nur knappe tausend Meter von der Oper entfernt, stand im 4. Wiener Bezirk, Ecke Wiedner Hauptstraße und Schonburgstraße, noch in den fünfziger Jahren des Palais Rainer und ihm gegenüber die Winterreitschule, beide von einem herrlichen Park mit alten Baumbestand umgeben. Diese beiden Barockgebäude unter Denkmalschutz zu stellen, hat man damals unterlassen. Und als man es 1958 tat, waren bereits beide Gebäude samt Park an einen Konzern verkauft, das Palais Rainer be- reits demoliert.

Da man die verspätete Unterschutzstellung nicht mehr durchsetzen konnte, sollte bald auch das Winterreitschulgebaude mit seiner entzückenden, für Wien einmaligen Barockfassade, (die übrigens dem früheren Engelskirchner’schen Sommerhaus entstammte), der Spitzhacke überantwortet werden, wenn auch damals die Presse und der Rundfunk diese Schlappe und unüberlegte Vorgangsweise unserer Behörden schonungslos kritisierten, sollte doch wieder alles mit der resignierenden Redeweise „Da kann man halt nix machen“ enden.

Also entschloß sich der Autor dieses Beitrags, zu handeln, um einmal das Unmögliche möglich zu machen. Man schrieb damals den 9. April 1958.

Schnell photographierte ich die prachtvolle Barockfassade, fertigte Bilder an, verfaßte einen geharnischten Aufruf und lieferte sie an fast alle Wiener Zeitungsredaktionen. Am folgenden Morgen brachten die meisten Zeitungen den Aufruf samt Bildern der Barockfassade der Winterreitschule, — die allein schon durch die schöne Gliederung und den elliptisch vortretenden Mittelteil eine ber sondiere Betonung erhielt und deswe-

gen in der Wiener Barockarchitektur einmalig dastand — und die bisher der Mehrzahl der Wiener, ja sogar den meisten Kunsthistorikern unbekannt war. Der österreichische Rundfunk brachte ein Interview.

Am 11. April sprach ich im Unterrichtsministerium sowie im Kulturamt der Stadt Wien vor, wo ich um Intervention zwecks sofortiger Einstellung der Abbruchsarbeiten bat, und auch bekanntgab, daß ich eine Spendenaktion ins Leben gerufen habe. Meine spontane Aktion rief keine Begeisterung bei den Ämtern hervor. Also begab ich mich zur Abbruchfirma, wo ich Verhandlungen bezüglich des Abkaufes der Barockfassade anbahnte. Man teilte mir bald mit, daß die Fassette allein, ohne die Putten und Vasen der Attika, zu verkaufen sei. Für die Fassade verlangte die Abbruchfirma 2000

Schilling, doch konnte ich später diesen Preis noch reduzieren.

Die Kulturbarbaren waren inzwischen nicht untätig. Eines Tages bemerkte ich, daß die Säulen der Barockfassade, die aus Ziegelwerk bestanden, plötzlich und ohne sichtbaren Grund abgeschlagen waren und die Attika-Figuren auf der Erde herumlagen. Zu guter Letzt zeigte man mich, wegen angeblich unerlaubten Spendensammelns, bei der Polizei an.

Doch auch manch Positives wurde mir bald zuteil. Auf Grund meiner Aufrufe zur Rettung der Barockfassade stießen zu mir einige beherzte Helfer, die mir mit Rat bei meiner Aktion zur Seite standen. Zusammen erreichten wir bei den Behörden einen kurzfristigen Aufschub der Abbrucharbeiten. Am 9. Mai konnte ich die Fassade kaufen, und beauftragte sofort zwei akademische Bildhauer mit der sorgfältigen Abnahme der steinernen Fenster- und Türgewände. Da mehrere Teile der Fassade, darunter auch die Kapitelle, nur aus Stuck bestanden, ließ ich von diesen Gipsabgüsse anfertigen. Aui mein Drängen fertigte das Bundes- denkmalamt jetzt noch schnell genaue Pläne dieser Fassade an. Ich selbst machte photographische Dokumentaraufnahmen aller Bauteile und Details. Gleichzeitig bestürmte ich den neuen Besitzer dieses Areals mit der Idee der Belastung der Barockfassade an Ort und Stelle. Alle diesbezüglichen Vorschläge, angeblich zu kostspielig und undurchführbar, wurden abgelehnt.

Anfang Juni 1958 benachrichtigte mich die Abbruchfirma im Aufträge des neuen Besitzers, daß ich die abgenommenen Steinteile meiner Fassade, von der Baustelle sofort zu entfernen habe. Doch wohin damit? Neuerliche Vorsprachen, jetzt um die Bereitstellung eines geeigneten Lagerplatzes für die Aufbewahrung der Bauteile bis zum Wiederaufbau, beim Kulturamt der Stadt Wien, Bundesdenkmalamt und anderen Stellen verliefen ohne Erfolg. Nun drohte den mühsam aus Spenden geretteten Fassadenresten die sichere Vernichtung.

Buchstäblich in letzten Augenblick fand ich aber bei einem Beamten des Städtischen Gartenbauamtes Gehör und überglücklich konnte ich die Teile der geretteten Fischer-von-Er- lach-Barockfassade, die niemand wollte, ins Hauptlager, ln der Prater Hauptallee 2, überführen lassen, wo sie, sachgemäß geschichtet und zuge-

deckt, im Freien deponiert wurden. Dort liegen sie, inzwischen bereits , zweimal von unseren Kulturbeam- . ten besichtigt, noch heute.

Heine Spendenaktion erbrachte damals insgesamt 4971 Schilling, die für den Ankauf der Fassade, die raa- nigfaltigen Arbeiten, Fahrten und Transportkosten fast zur Gänze auf- gebraucht wurden. Die vielen kleinen Beträge, ausschließlich von Privatpersonen gespendet, kamen nicht nur aus Wien und den Bundesländern, sondern auch von Kunsthistorikern aus Deutschland und dei Schweiz, und auch von vielen Aus- landöstenreichem, sogar aus Peru

Nach geglücktem Abschluß meiner Rettungsaktion, habe ich die Öffentlichkeit mittels Meldungen in Zeitungen davon in Kenntnis gesetzt, wobei ich auch bekanntgab, daß ich mich ab nun bemühen’ würde, diese Barockfassade irgendwo in Wien wieder erstehen zu lassen.

Doch dies erwies sich bald als undurchführbar, denn ein einmal aufgegebenes Bauwerk wieder aufzubauen, traute sich niemand, wie sich allzu bald herausstellte. Ich habe seither die Fassade mehreren Institutionen, Firmen, aber auch mehr-

mals der Stadt Wien, - zuletzt im Jahre 1972, anläßlich der Planungsarbeiten der WIG 74, — zur Wiedererrichtung angeboten, doch stets ohne Erfolg.

Die kostenlosen geretteten Teile der Fischer von Erlach-Barockfas-

sade, samt genauen Plänen und Do- kumentarphotographien, kann heute jeder, egal ob Bund, Land, Gemeinde oder Privatmann, erhalten, wenn er sich verpflichtet, die Fassade getreu wieder aufzubauen — in geeigneter Umgebung! So könnte man diese Passade beispielsweise auch an einem Neubau vorbauen oder einem freistehenden Kaffeehausgebäude, Gartenhaus, Heimatmuseum usw. als Schau wand verblenden — oder sie als Kulisse für Freilichtaufführungen aufstellen. Auch als Abschluß einer Gartenalle, als Lusthaus oder „Gloriette“ würde sich die Barockfassade eignen.

Am vernünftigsten wäre es freilich, wenn man sie im kommenden Jahr 1975, dem Jahr der Denkmalpflege, an die Front eines neu zu errichteten Ausstellungsgebäudes — das unserer Bundeshauptstadt so sehr fehlt — stellen würde — in Erinnerung an die seinerzeit aus dem Volke hervorgegangene und aus Spenden der Bevölkerung erfolgte Rettung eines Wiener Baudenkmals.

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