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Keine Chancen für den Frieden?

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„Es wird verdammt schwer sein, dem Untergang zu entgehen”, sagt Frank Barnaby und lehnt sich in seinem Stuhl zurück. „Die nächsten 20 Jahrebringen die ganz große Krise.”

Und Barnaby sollte es wissen. Er ist Direktor des SIPRI, des unabhängigen internationalen Friedensforschungs-In-stituts in Stockholm, das schon oft mit Analysen zum Thema Abrüstung hat aufhorchen lassen.

Es sind nicht Afghanistan und Iran, die Barnaby zu seiner Prognose verleiten. Es ist nicht das wieder verschärfte Ost-West-Verhältnis. Die Krise der nächsten 20 Jahre trägt den Namen Energie. Nicht weil sie teuer wird - das wäre kein Problem: weil sie fehlen wird. Alle anderen Fragen werden bis zur Jahrtausendwende in den Hintergrund gedrängt werden.

Um eine akzeptable Beschäftigungslage zu erhalten - von Vollbeschäftigung gar nicht zu reden - muß das Wirtschaftswachstum pro Jahr drei bis vier Prozent betragen. Dazu wären im Jahr 2000 35.000 Millionen Tonnen Kohleäquivalente nötig. 20.000 kann man haben. Bestenfalls, sagt Barnaby. Daher wird es kein Wachstum geben, daher hohe Arbeitslosigkeit, hohe Inflation, soziale und daraus resultierend politische Unruhen in den reichen Ländern.

Noch weit härter werden die armen Länder getroffen, in denen 70 Prozent der acht Milliarden Menschen leben werden. Das Nord-Süd-Verhältnis wird zum Zerreißen gespannt werden, was die Ost-West-Gegensätze automatisch zurückdrängen muß, weil Ost und West im gleichen, reichen Boot sitzen.

Von der Atomkraft als Retter der Energieversorgung hält der Kernphysiker Barnaby, ein Engländer, nichts. Um den Fehlbetrag des Energiehaushalts bis zum Jahr 2000 mit Atomkraft auszugleichen, müßte man ab sofort jeden Monat ein großes Atomkraftwerk in Betrieb nehmen, 20 Jahre lang. Das ist aber unmöglich.

1980 erzeugen sämtliche Kernkraftwerke gemeinsam 120.000 Megawatt Elektrizität. Im Jahr 2000 werden sie und die projektierten und neu gebauten 600.000 Megawatt produzieren, schätzt Barnaby und beginnt zu rechnen: Das entspricht - umgerechnet - etwa

50 Millionen Tonnen Kohle - beziehungsweise einem Drittel Prozent des Energiedefizits von 15.000 Millionen Tonnen zur Jahrtausendwende: die Kernkraft bestenfalls als Tropfen auf dem heißen Stein.

Die Energiekatastrophe bringt Sprengstoff nicht nur wegen der inneren Spannung in den Ländern, in denen die Rezession durchschlägt. Der Griff nach den wenigen existierenden Roh-stafflagern wird härter werden:

Die NATO-Staaten beziehen ein Drittel ihres Öls aus den Ländern um den Persischen Golf: was sie zunächst dem Druck dieser Länder aussetzt, rein politisch; was aber auch den Drang verstärken kann, sich mit Macht anzueignen, was man nicht selbst besitzt. Dazu kommt, daß die Sowjetunion ab 1985 gezwungen sein wird, öl zu importieren. In Afghanistan stehen die Sowjets schon ...

Schlechte Chancen für den Frieden. Zu viele Wissenschafter arbeiten in der Militärforschung, sagt Barnaby. Zu viele Menschen sind in der Militärbürokratie beschäftigt. Zu stark sind die Interessen der Industrie. All das setzt die Politiker unter Druck.

Kommt die Katastrophe? Spätestens in 20 Jahren? Keine Chancen für den Frieden? „Wenn ich so denken würde, würde ich nicht hier arbeiten”, sagt der Direktor des Friedensforschungs-Insti-tuts. „Die öffentliche Meinung kann und muß sich durchsetzen. Als Gegendruck auf die Politiker - gegen den Druck zu Aufrüstung und Machtanwendung.” Der Gegendruck muß von der Basis kommen. Die kleinen Länder müssen dieGroßen beeinflussen.

Barnaby sieht hoffnungsvolle Ansätze in einer Reihe von kleinen Staaten. Und die 400 Milliarden Dollar, die heute jährlich für Rüstungszwecke verwendet werden, will Barnaby in die Forschung zur Bewältigung der großen Herausforderung gesteckt sehen, in die Entwicklung neuer Energieformen.

„Wir haben zwei sehr gefährliche Dekaden durchzumachen, mit schweren Krisen und wesentlich geringerem Lebensstandard. Wenn wir sie überleben, dann werden in zwanzig Jahren die neuen Energiequellen da sein.” Für den Aufbruch in ein helleres 21. Jahrhundert . . .

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