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Kindertheater ohne Zeigefinger

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Vor mehr als zwanzig Jahren sah man im Volkstheater eine Komödie, in der ein alter Kauz die Menschen in einen Zauberwald lockt, wo sie ihr Leben noch einmal beginnen können. Sie stammte von dem schottischen Webersohn James Matthew Barrie, der in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts neben dem Iren Shaw einer der wichtigsten angelsächsischen Dramatiker war und es bis zum Baronet brachte. Man sagt ihm einen ununter-drückbaren Hang zum Phantastischen nach.

Am berühmtesten wurde sein 1904 uraufgeführtes Stück „Peter Pan“, das als „klassisches“ Werk für Jugendliche gilt. Es wurde auch als Musical bearbeitet, bot die Anregung für ein Ballett sowie für einen Zeichentrickfilm von Walt Disney. Im Londoner Kensington Garden steht ein Denkmal für Peter Pan. Nun wird dieses Stück, von Erich Kästner übersetzt, vom Theater der Jugend im Theater an der Wien aufgeführt.

Barries Hang zum Phantastischen, Märchenhaften? Peter Pan ist ein Junge, der nicht erwachsen werden will, bei aller Körperlichkeit also ein geistiges Wesen, denn Geister altern bekanntlich nicht. Er fliegt bei der Familie Darling durchs offene Fenster herein und verleitet deren drei Kinder, Wendy und ihre jüngeren Brüder, mit ihm davonzufliegen. Wohin? Ins Land Nirgendwo. Dort vereinen sie sich mit der Bande der „verlorenen Jungen“,die nachlässigen Ammen aus dem Kinderwagen gefallen sind. Selbstverständlich gibt es da Rothäute, die ihnen gut gesinnt sind, und Seeräuber mit ihrem ganz, ganz bösen Kapitän, Gefangennahme der Kinder, Rettung durch Peter Pan. Das behagt der jugendlichen Phantasie.

Nichts von Zeigefinger. Die Autorität der Eltern wird weder unangenehm spürbar noch wird sie antiautoritär angegriffen. Ja, Wendy muß bei den verlorenen Jungen „Mutter“ spielen und tut es sehr nett. Allerdings wird es mit ihr und Peter Pan am Schluß nichts, denn er fliegt wieder davon. Er kehrt wohl zu den Feen zurück, deren eine ihn als leuchtende Kugel begleitet hat. Übrigens fragt Peter Pan die Kinder im Zuschauerraum, ob sie an Feen glauben. Ein begeistertes, geradezu frenetisches „Ja“ antwortet ihm aus dem ganzen Haus.

Edwin Zbonek läßt die Vorgänge recht real spielen. Den Zauber, das Irreale des Märchens vermissen in der Aufführung viel eher die erwachsenen Zuschauer, an die sich das Stück laut Autor ebenfalls wendet, als die Kinder. Unter den 23 Darstellern heben sich Fritz Siein als wendiger Peter Pan und Sylvia Eisenberger als herzlich wirkende Wendy heraus. Roswitha Musil bietet als Ausstatterin eine recht ansehnliche Felseninsel als Land Nirgendwo.

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