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Krause Schulbuchblüten

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„Daß Gefühle erkalten können, ist als Risiko jeder Liebesbeziehung inhärent." - „Der Mann muß immer für die Frau mitbezahlen, und wenn sie nicht arbeiten will, kann sie einfach zu Hause bleiben und Kinder kriegen." Sätze wie diese sind nicht nur in lebensfernen Abhandlungen oder am Wirtshaustisch zu finden, sondern stehen auch in Österreichs approbierten Schulbüchern. Die „Blütenlese" des Katholischen Familienverbandes hat heuer zum elften Mal in den 2.800 Schulbüchern Österreichs geblättert und 541 genau begutachtet.

Herausgekommen ist eine 87 Seiten starke Broschüre, die, nach Fächern aufgeschlüsselt, einen

guten Überblick über das Angebot der Schulbuchaktion bietet und „unbedenkliche", „nicht empfehlenswerte" und „teilweise zu kritisierende" Unterrichtsmittel unterscheidet. 63 Schulbücher sind nach Meinung der Autoren der „Blütenlese" schlecht, sollten also von Lehrern und Eltern nicht ohne weiteres für das kommende Schuljahr bestellt werden.

Einer der Hauptkritikpunkte der diesjährigen „Blütenlese" ist die „Vorurteilskunde und der Propagandaunterricht" in Deutsch- und Lebenskundebüchern, wie Alfred Racek, der Leiter der „Blütenlese", feststellt. Oben zitierte Beispiele sind nämlich keine „Ausnahmen" in Lebenskundebüchern für den Polytechnischen Lehrgang oder in der Deutschbuchreihe „Lebendige Sprache", sondern eher schon die Regel. Während die Deutschbuchautoren der „ Lebendigen Sprache" alle Textarten und -sorgen unkommentiert und meist ohne Arbeitsanleitung mischen und den Schülern an den Kopf werfen, glänzen die Autoren der „Lebenskunde für den Polytechnischen Jahrgang"

durch unsinnige Aussagen sowie vorurteilsschürende oder manipulative Fotos.

„Was soll beispielsweise der Text .ungepflegter Mensch' über dem Bild eines Obdachlosen," empört sich Racek. „Warum verwendet man Bilder Von der ÖGB-Demonstra-tion für Hainburg - Motto: 'Auch Waagner-Biro braucht Hainburg'?" Nehmen schließlich die Schulabgänger alle Aussage dieses Buches („Unsere Freiheit ist nur scheinbar") ernst, brauchen sie sich um ihre weitere Lebensgestaltung keine Gedanken zu machen.

Von der „Blütenlese" wurden aber auch die übermäßigen Schwierigkeitsgrade mancher Bücher unter die Lupe genommen. Wenn in

einem Biologiebuch etwa in einem einzigen Ansatz ein Dutzend Begriffe als besonders wichtig hervorgehoben sind (von Spaltalgen über Pionierpflanzen bis Phyco-cyan), heißt das abschließende Urteil: Nicht empfehlenswert!

Eine andere Art der Überforderung kommt auf Elfjährige in der ersten Geschichtsstunde schon mit der ersten Arbeitsaufgabe zu, die eigentlich Maturaniveau hat: „Versucht mit Hilfe von Lexika, Sachbüchern, Interviews, Museumsbesuchen usw. die Entwicklung eines Werkzeugs, Gerätes bis zu seiner Entstehung zurückzuverfolgen!"

Überfordert sind aber auch Volksschulkinder, denen Lesebücher zugemutet werden, deren Papier so dünn ist, daß jeweils die Schrift der Rückseite durchscheint und das Lesenlernen erschwert. Als „schlicht verantwortungslos" bezeichnet es Racek, wenn ein sonst bunt gestaltetes Schulbuch aus Kostengründen gerade bei der Verkehrserziehung auf Farben verzichtet und Schulanfängern die Verkehrszeichen und-ampeln in Schwarzweiß erklärt.

Und „pädagogisch unsinnig" findet Racek auch einen völlig unkritischen PR-Artikelvoll der rasenden

Begeisterung für den Rennwagen -sport. „Es heulte und jaulte zu den Zuschauern hinauf, als jagten nicht leblose Wagen, sondern riesig starke Tiere um die Wette über die Bahn... In diesem Augenblick knallten die starken Motoren von acht Rennwagen los. Wie abgeschossene Pfeile schnellten sie sich von der Startstelle," heißt es in diesem Deutschlesebuch für die Volksschule.

Daß die „Blütenlese" aber mehr ist als ein Delektieren an den Fehler der anderen, sieht Racek an der Reaktion der Verlage. Alle Gutachten wurden vor dem Druck den Verlagen mit der Bitte um Stellungnahme zugeschickt. Dabei konnten heuer mehr als 100 Änderungszusagen erreicht werden. Als Fortschritt und Beweis für die Anerkennung der „Blütenlese" wertet Racek, daß das Unterrichtsministerium nunmehr von sich aus die Rezensionen des Familienverbandes den Verlagen mitteilt und von diesen Stellungnahmen einfordert.

Für die Zukunft möchte Racek aber nicht immer nur „nachverbessern", sondern die Fehlerquelle beseitigen. Diese liegt in seinen Augen im Begutachtungsverfahren der Schulbücher, das trotz Ankündigung des Unterrichtsministeriums noch immer nicht verbessert ist. Racek bemängelt hier vor allem die fehlende Einbeziehung des Instituts für Schulbuchforschung unter der Leitung des ambitionier-ten Gründers des Buchklubs der Jugend, Richard Bamberger. Dieses Institut sollte nach den Worten Raceks verpflichtend in das Begutachtungsverfahren einbezogen werden, aber auch Elternvertreter in seinen Vorstand aufnehmen, „damit die Elternmitsprache endlich realisiert wird".

Der Autor ist Pressereferent des Katholischen Familienverbandes der Erzdiözese Wien. Bestellungen der „Blütenlese" (Kosten: 22,- öS) sind beim „Katholischen Familien verband, 1010 Wien, Stephansplatz 6/V/17, auch unter der Telefonnummer 0222/51552/330 möglich.

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