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Krisen im Riff

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Jahreswende 1982/83. Das Wetter spielt weltweit verrückt. In Afrika bleibt der Winterregen aus. Tahiti wird, zum ersten Mal seit 75 Jahren, von Wirbelstürmen verwüstet. Wissenschaftler, die seit Jahren auf den Panama vorgelagerten Pazifik-Inseln Uva und Sica stationiert sind, registrieren eine leise Katastrophe, die kein Massenmedium interessiert: Das Plankton, das mit den Korallen in Symbiose lebt und eine wichtige Grundlage für die Artenvielfalt im Korallenriff bildet, stirbt plötzlich ab .und wird in die offene See hinausgeschwemmt. Folge ist ein Zusammenbruch der ganzen Biozönose, der Lebensgemeinschaft im Riff, in der sich Tausende Tier- und Pflanzenarten einander angepaßt haben.

Die ökologische Krise im pazifischen Riff kam vier Jahre später ins österreichische Fernsehen, als eines der vielen Themen der siebenteiligen Fernsehserie „Planet Erde“, die zwischen Weihnachten und Neujahr im Vorabendpro-gramm ausgestrahlt wurde.

Das kostspielige TV-Projekt wurde mit Unterstützung des Computer-Riesen IBM verwirklicht und 1986 von 300 US-Fernsehsendern gezeigt. Die Sendung im ORF war die erste außerhalb der USA. Die von FURCHE-Mit-arbeiter Walter Köhler erarbeitete deutsche Fassung wird im ganzen deutschen Sprachraum übernommen werden und demnächst auch als Video-Kassettenproduktion von IBM den Schulen und Universitäten kostenlos zur Verfügung gestellt.

Die Forscher tippten zunächst auf Zivilisationseinflüsse als Ur-

sache des Planktonsterbens, etwa Wasserverschmutzung. Es wuchs sich schnell zu einem Korallensterben aus, das durch eine starke Vermehrung der sogenannten Dornenkronen-Seesterne beschleunigt wurde. Heute beginnt sich das Riff an wenigen Stellen zu erholen. Ursache der Katastrophe war vermutlich eine Erwärmung des Oberflächenwassers für die Dauer von zwei bis drei Monaten, die, weil sie schon in früheren Zeiten um Weihnachten beobachtet wurde, „El Nino“ genannt wird. Man sucht nun in den älteren Schichten von Korallenriffen nach den Spuren vergangener, gleichartiger Riff-Zusam-menbrüche.

Vor zwei Jahren fand in Paris ein internationales Symposion zum Thema „El Nino“ statt. Man sieht es längst nicht mehr als lokales Phänomen, sondern als Erscheinung im Rahmen eines erst in Ansätzen erfaßten Zusammenspiels zwischen den oberen Schichten der Ozeane und der Erdatmosphäre, das Auswirkungen auch auf die tieferen Meeresschichten und auf das gesamte Weltklima hat. Am Forschungsprojekt TOGA („Tropical Oceans and Global Atmosphere“) arbeiten Tausende Forscher in über 50 Ländern.

Sicher ist schon jetzt, daß die Instabilität sogenannter „Gleichgewichte in der Natur“ die möglichen Folgen menschlicher Einr griffe (Wasser- und Luftverschmutzung) noch gefährlicher erscheinen läßt, weil sie ausreichen könnten, das Pendel des Geschehens kippen zu lassen.

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