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Mißtrauen treibt Sumpfblüten

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Polit-Kriminelle sind unter uns. Sie versuchen Staat und Gesellschaft zu vergiften.

Es ist eine stümperhafte Fälschung, die da der „Jerusalem Post“ als Brief von Alois Mock an Margaret Thatcher zugespielt wurde. Nicht einmal Ari Rath, der Chefredakteur des Blattes, kann sie ausschließen.

Daß die Zeitung — gegen alle Regeln journalistischer Sorgfalt — das Machwerk publiziert hat, läßt sich durch nichts mehr aus der Welt schaffen, auch nicht durch eine Entschuldigung. Die gefälschte Unwahrheit breitet sich wie eine Kettenreaktion aus...

In jedem Fall ist die Beweislast eindeutig: Die „Jerusalem Post“ hatte und hat die Echtheit nachzuweisen, nicht Alois Mock die Fälschung.

Wo stecken die Heckenschützen im Hinterhalt, die nach Bundespräsident Kurt Waldheim nun auch Alois Mock mit ins Visier genommen haben?

Neben manchen Details läßt vor allem auch die Phantasie, die der Fälschung zugrunde liegt, auf österreichische Provenienz

schließen. Unverständlich daher, daß ÖVP-Generalsekretär Michael Graff gleich wieder von internationaler Verschwörung spricht: „Die Niedertracht der Waldheim-Feinde beim Jüdischen Weltkongreß und in Israel kennt keine Grenzen.“

Uberreaktion hilft nicht weiter. Weder nützt sie Waldheim noch der Republik. Es wird nur noch mehr Porzellan zerschlagen.

Gefälschte Köder, Verleumdung, Denunziation: Wir sollten damit rechnen, daß der gefälschte Mock-Brief nicht der Schlußpunkt ist. Demokraten aller Lager steht eine harte Zeit der Bewährung bevor. Es gilt den Polit-Kriminellen unter uns das Handwerk zu legen.

Ihre politische Verrücktheit gedeiht freilich im Sumpf unseres Mißtrauens prächtig. Hat sich nicht schon manch dummes Gerücht nachträglich bestätigt? Wer hätte je ernsthaft an das amerikanische Waffengeschäft geglaubt?

Jeder traut jedem alles zu. Rufmord steht auf der Tagesordnung. Auch wenn nichts stimmt, bleibt etwas hängen...

Haben die Vergifter nicht schon ganze Arbeit geleistet? Sind wir uns — voran die Journalisten — dessen bewußt?

Begreifen jetzt endlich alle, die in den letzten Jahren die Glaubwürdigkeit in der Politik heruntergebracht und -gemacht haben, was sie angerichtet haben?

Vertrauen ist die Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, auch die der Demokratie, wohl ebenso jene der Völkergemeinschaft.

Wir dürfen kein Vertrauen für uns reklamieren, wenn wir nicht selbst bereit sind, Vertrauen zu schenken. Das kostet Uberwindung, gewiß. Aber anders wird die gegenwärtige Vertrauenskrise nicht zu überwinden sein.

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