Die Pippi-Strategie

Letztens echauffierten sich in der U-Bahn zwei junge Frauen über die Tatsache, dass Genesene mit Geimpften und Getesteten gleichgestellt werden. Sie argumentierten, dass jene, die sich nicht an die Maßnahmen gehalten hatten, nun auch noch dafür belohnt würden. Während die anderen – offenbar sie selbst – weiter an Freiheit einbüßten.

Indes erzählte mir meine Mutter, eine Verwandte von uns habe sich über die Unverfrorenheit vieler junger Männer aufgeregt. Laut der Verwandten hätten sich viele von ihnen bei der freiwilligen Feuerwehr gemeldet – damit sie impftechnisch vorgereiht würden. Die Verwandte ist mittlerweile selbst geimpft. Die Frau ihres Schwagers, die sie meines Wissens so gut wie nie trifft, ist schwanger. Die Verwandte hat es geschafft, als Kontaktperson ausgewählt- und geimpft - zu werden.

Wenn ich zugenommen habe, dann bin ich gierig auf Meldungen, die bestätigen, dass das Gewicht eines Menschen von dessen Genen oder dem Stoffwechsel abhängt. Wenn ich abgenommen habe, dann verschlinge ich Artikel, die mir bestätigen, dass das Gewicht eine Frage der Haltung und der Selbstdisziplin sei. Ähnlich schizophren verhalte ich mich beim Thema Fliegen. Wenn die Flugzeuge über unsere Wohnung donnern, dann würde ich jede Petition unterschreiben, die dem Flugverkehr ein Ende setzt. Wenn ich meine Freundin in Hamburg besuchen will, dann durchforste ich die Suchmaschinen nach einem Billigflug.

Ich mach mir die Welt – widdewidde wie sie mir gefällt … In der Philosophie heißt es Pippi-Strategie, wenn man sich die Wahrheit so zurechtrückt, dass sie einem in den Kram passt. Aber Pippi kann noch mehr: Sie ist realitätsfern und steht gleichzeitig mitten im Leben. Wie stimmig dieser Tage.

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