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Rätselbaum

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1990 hat der Dichter Octavio Paz verdientermaßen den Nobelpreis für Literatur erhalten. Anlaß genug also, daß der Verlag eine repräsentative Sammlung seiner Gedichte aus den letzten Jahren (1975-1987) ausgewählt hat, die nunmehr spanischdeutsch vorliegt.

Für Paz bedeutet der Baum eine schlüssige Metapher für das Weltganze, das Rätselhafte des Daseins. Und der Baum mit seinen vielen Wurzeln und Verzweigungen geleitet den Leser nun auch durch eine Sphäre des Doppeldeutigen und Wunderbaren, die sowohl im diskursiven Denken als auch im meditativen Seinlassen ihren Ausdruck findet. Numi-nose Stimmungen wie äußerst prägnante Sentenzen wechseln einander ab, bleiben immer im Fluß der analogen Wahrnehmung, und wenn ein Gedicht beispielsweise so aufregend beginnt wie „Der Surrealismus war der feurige Apfel am Baum der Syntax", dann scheint ein entsprechendes Leseerlebnis förmlich vorprogrammiert.

Paz ist ein Meister der feinen und umfassenden Apperzeption, die er -wiederum baumgleich - von überall her „aufsaugt". Wer sich aber von seiner metaphernreichen Sprache vielleicht noch nicht ganz überzeugen läßt, der wird ganz sicher vom formalen Reichtum der Dichtung angetan sein, mit dessen Hilfe Octavio Paz den Raum für Zeit, Tod vertraute Orte oder künstlerische Freundschaft offen hält, um zuletzt uns selbst im Baum der Rätsel aufzunehmen.

IN MIR DER BAUM. Von Octavio Paz. Suhr-kamp Verlag, Frankfurt 1990. 279 Seiten, öS 499,20.

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