Ist es Weisheit der Ökonomie oder ist es Denkfaulheit, wenn wir unser Reden und Argumentieren mit rhe- torischen Fertigteilen zusammen- bauen als wäre es ein modernes Bü- rohaus? Faktum bleibt, daß unsere sprachliche Wirklichkeit sich so öd ausnimmt wie unsere Reihenhäu- ser. Dieser Versteinerung bei le- bendigem Sprachleib verdankt H. C. Artmann seinen Ruhm als locke- rer Schaumschläger.
Er ist sehr tief in die Physik der Schäume eingedrungen, von den mythologischen Meerschäumen, aus denen Venus hervorging, bis zu den süßen und fetten Schäumen der Konditorwaren. Aber auch Gold- körnchen weiß er mit seinem flot- ten Flotationsverfahren literarisch herauszuwaschen.
Allen diesen Schaumvarianten begegnen wir in Artmanns Traum- buch. In den 90 Schaum-Experi- menten analysiert er nicht nur ver- gangene und erinnerte Träume und weist ihnen die erfolgversprechen- de Lotto-Nummer zu, sondern emp- fiehlt auch Rezepte, um nummern- gerechte Lotterträume zu provo- zieren: „Träume Dir, Du bist ein Türke", „Träume und Schäume von Chinesinnen". Artmann liefert also Luftpatronen für den Schlagobers- zerstäuber, um die schwer verdau- liche Wirklichkeit bis zur Unkennt- lichkeit flockig-leicht zu machen.
Das Buch - von Ernst Fuchs mit überschäumender Phantasie illu- striert - ist als Bettsteigerl gut brauchbar. Entweder man schläft sofort darüber ein, um die gelese- nen Rezepte auszuprobieren; oder man liest sich weiter in die Träume hinein: Dann wacht man eben mit H. C. Artmann und wird finden: „Mit ihm, mit ihm - keine Nacht mir zu lang".
GRÜNVERSCHLOSSENE BOTSCHAFT. 90 Träume. Von H. C. Arrmann. Gezeichnet von Ernst Fuchs. Residenzverlag, Salzburg/Wien J989.90 Seiten, öS 168,-.
