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Schlesien unser

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Helmut Kohl hat es wieder einmal geschafft. Er hat jetzt eine stattliche Mehrheit hinter sich. Zwar nicht gerade eine Mehrheit der deutschen Bundesbürger — nein, da liegt er derzeit in allen Umfragen weit hinter seiner eigenen Partei, hinter Vogel, Rau und — was eine Kunst ist? — sogar noch hinter Franz Josef Strauß.

Aber Kohl hat dafür die Mehrheit der Schlesier hinter sich gebracht. Wenn man die Mühe bedenkt, die Helmut Kohl sich gegeben hat, für die umstrittene Teilnahme am Schlesiertreffen vom letzten Wochenende in Hannover, kein Fettnäpfchen auszulassen und keinen außenpolitischen Schaden zu scheuen, da hätte man eigentlich schon erwarten dürfen, daß ihn jetzt alle Schlesier lieben.

Aber nein! Eine stattliche Minderheit von ihnen hat ihn für die unverdiente Ehre, die er ihnen angetan hat, auch noch ausgepfiffen.

Bundeskanzler Kohl hat zwar im Bundestag immer klar gesagt, daß die Bundesrepublik Deutschland keine Gebietsansprüche mehr gegenüber Polen erhebt. Aber er hat nie jene Reaktionäre und Illusionisten in seiner Partei zurückgepfiffen, die Polens heutige Westgebiete nur als vorübergehend unzugänglichen Grundbesitz betrachten, über den man später wieder verfügen werde wie über derzeit brachliegende Äcker.

Diese Denkweise ist nicht die aller Schlesier, wohl aber der Mehrheit ihrer Funktionäre, die auch nach 40 Jahren noch Berufsflüchtlinge sind. Der erste Slogan der dies deutlich macht hieß: Schlesien bleibt unser”. Da hätte ein Kanzler, der im Gegensatz zur Schlesier-Zeitschrift einen Einmarsch der Bundeswehr in Polen nicht für eine Lösung hält, eigentlich schon absagen müssen.

Stattdessen ließ er ein neues Motto austüfteln: Schlesien bleibt unsere Zukunft im Europa freier Völker.” In einem Begleitbrief an den Kanzler wurde ihm noch bestätigt, Schlesien gehöre nicht einfach den Schlesiern, sondern sei Eigentum aller Deutscher. Da mußte der Kanzler natürlich hin — als Miteigentümer.

Der angebliche Rechtsaußen Franz Josef Strauß hatte den schlichten Slogan vorgeschlagen: ,JZin freies Schlesien in einem freien Europa”.

Das wäre eine legitime Zukunftsvision, vor allem weil Freiheit nicht identisch ist mit Staatsgrenzen.

Aber weder die Schlesier noch Helmut Kohl haben auf Strauß gehört. Darum schmerzt es auch mich nur halb so sehr, daß auch mein Vorschlag für ein Motto nicht angenommen wurde, obwohl an seinem Wahrheitsgehalt nicht zu rütteln sein wird: ,JDie Schlesier bleiben unser”.

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