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Schöpferkraft und Schiele

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Im Grunde genommen sind ja alle Dramen Kleists - „Der zerbrochene Krug“ wohl ausgenommen - unaufführbar und nur lesend zu durchschauen. So auch jener „Amphitryon“, in dem es nicht mehr, wie beim Vorbild Moliėre, um einen zugleich erfolgreichen und mißglückten Ehebruch geht, in dem vielmehr das schöpferische, das zeugende Prinzip sich als jedem Sterblichen innewohnend, als sich mit jedem Sterblichen identifizierend erweist, und in dem die Begegnung mit sich selbst, die Ichspaltung, nicht mehr als barocke Verwechslungskomödie, sondern als Ausbruch tiefsten Entsetzens, als Übergang zum schizophrenen Irresein erlebt wird.

Zum 200. Geburtstag Heinrich von Kleists läßt Peter P. Jost, alle Doppel- und Mehrbödigkeiten beiseiteschiebend, den „Amphitryon“ vor einem naiven Publikum naiv spielen, von der opportunistischen Schläue des Sosias bis zu den „dei ex fenestra“ am Schluß (einer kulturhistorischen Ironie, die von , kritischdenkenden“ Jugendlichen in Jeans humorloserweise ganz offenbar nicht als solche erfaßt wurde), ließ Regine Felden die ungeheuer schwierige Rolle der Alkmene allein mit persönlichem Charme bewältigen, bis hin zu jenem berühmten, mehrdeutigen, letzten „Ach ließ ihr Angelika Hauff als Charis ohne die oft so naheliegende Outrage assistieren, ließ die von Kleist als jugendlich gedachten Jupiter (Erich Aberle) und Amphitryon (Hubert Berger) aus Gründen der Maskengleichheit väterlich ergraut sein und die von Kleist in Wahrheit älter gemeinten Merkur (Florian Liewehr) und Sosias (Fritz Gobiirsch) erfolgreich mit der Gelenkigkeit von Halbwüchsigen agieren, gab den Pho- tidas (Heinrich Eis) und Argaphonti- das (Dieter Bratsch) soldatisches Gewicht und ließ im übrigen den Text in einem sehr brauęhbaren Bühnenbild von Josef Schulz so schön und verständlich rezitieren, wie man dies vom

Burgtheater in Neulengbach gewohnt ist.

Wieder lohnt es sich, bis zum 24. Juli an Freitagen und Samstagen um 19 Uhr, an Sonntagen um 17 Uhr in der Burg von Neulengbach zu sein. Und wieder lohnt es sich, während der Pause den Rittersaal aufzusuchen. Dort werden heuer einige hervorragende Schiele-Zeichnungen und

-aquarelle, geliehen teils aus Privatbesitz, teils aus den Beständen des Niederösterreichischen Landesmuseums, gezeigt. Auf dem Bildschirm berichtet eine Ton-Bild-Schau über Schieies qualvolle Erlebnisse während seines künstlerisch so ergiebigen, am Ende aber recht unfreiwilligen Aufenthalts in Neulengbach.

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