6715235-1964_39_15.jpg
Digital In Arbeit

„Amphitryon“ in Bregenz

Werbung
Werbung
Werbung

Kleist ging es in seinem „Lustspiel nach Moliėre“ in drei Aufzügen weniger als dem großen Franzosen um eine spritzige Ehebruchskomödie, denn um das Bild einer — im wahrsten Sinn des Wortes — reinen Frau. Diese Frau Alkmene, die ihren Gemahl Amphitryon nicht von dem ebenfalls als Amphitryon auftretenden Jupiter unterscheiden kann, wird ebenso wie das Paar Charis-Sosias (Merkur) in das verwirrende Spiel hineingezogen, das schließlich auf dem Höhepunkt der grotesken Situation durch Jupiter seine Aufklärung erfährt. Der Reiz dieses Lustspiels, das sehr zum Tragischen neigt, ergibt sich aus dem ständigen Wechsel von tiefgründigem Gespräch und komödiantischer Szene. Man könnte diese geniale Bühnendichtung, um mit Glaser zu sprechen, eine vertiefte Liebesallegorie der Verwechslung von Ideal und Mensch nennen. — Ein solches Stück verlangt allerdings ausgeprägte Schauspielerpersönlichkeiten. Damit sind wir bei der Aufführung angelangt, die die 10. Spielzeit des Theaters für Vorarlberg unter der Direktion Prof. Richard Wegelers einleitete. Das Theater für Vorarlberg bewies in den vergangenen Jahren, daß es auf dem Gebiet des modernen Dramas (man denke nur an „Biedermann und die Brandstifter“ oder an „Andorra“) Beachtliches zu leisten imstande ist. Nur an den Klassikern — auch wenn man Klassik im' weiteren Sinn auffaßt — scheiterte man fast regelmäßig. So war auch diesmal der Eindruck der Eröffnungspremiere ein äußerst zwiespältiger. Die Inszenierung von Alex Freihart hatte ihre stärksten Momente in den burleskkomödiantischen Szenen und zeigte sich auch sonst um klaren Aufbau, besonders um Herausstellung der Gegensätzlichkeiten, bemüht. Eine starke Hilfe hatte sie in dem köstlichen Paar Sosias (Paul Bühlmanna. G.) und Charis, verkörpert von der neuen Kraft Edith Bussmann. Edel wieder einmal mehr die Sprachkunst von Gerda Zangger,die die Reinheit Alkmenens in jeder Phase glaubhaft machte. Sehr hinderlich war ihrem Spiel die etwas unförmige Perücke. Der „Neue“, Wolfgang Kraßnitzer, als Jupiter und Günther Kropp als Amphitryon fielen etwas ab. Eine totale Fehlbesetzung leider diesmal Herwig Wurzer als Merkur. Sehr angenehm und stilvoll die Kostüme der Wienerin Elisabeth Gaisser, die damit einen vielversprechenden Einstand feierte und die für die Zukunft noch einiges Gute hoffen läßt. Der verläßliche Bühnenbildner Karl Weingärtner war diesmal weniger glücklich; das Schloß Amphitryons erinnerte entfernt an übereinandergestellte Möbelstücke. —

Ein im großen und ganzen interessanter Theaterabend, dessen Gewicht auffallenderweise zugunsten der humorvollen Seite des Stückes verschoben und dadurch viel vom eigentlichen Reiz, der in den Gegensätzlichkeiten liegt, einbüßte. Dies lag freilich mehr an den unterschiedlichen Leistungen der Darsteller denn an der Regie.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung