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Spater NS-Sieg

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Die FURCHE hat Ende Dezember 1975 einen Alarmruf angesichts der drohenden Gefahr der Schließung der vielleicht bedeutendsten Pflanzstätte zur Heranbildung katholischer Eliten in Europa, des Jesuitenkollegs Stella matutina in Feldkirch, ergehen lassen, der nicht ungehört verhallte. Angesichts der vom Provinzkonsult der schweizerischen Subprovinz des Jesuitenordens und vom neuen, jungen Provinzial derselben, P. Josef Bruhin, beschlossenen Auflassung, die aber der Bestätigung durch den Ordensgeneral P. Pedro Arrupe in Rom bedurfte, wurden vielfältige Bemühungen unternommen, den Jesuitengeneral für die Fortführung zu gewinnen. So haben insbesondere die Landeshauptleute Herbert Kessler (Vorarlberg) und Eduard Wallnöfer (Tirol) sich in Rom für die Erhaltung der Anstalt eingesetzt, da angesichts des Druckes, den die SPÖ-Schulpoli-tik ohnehin überall ausübt, die Erhaltung einer einzigartigen Pflanzstätte von Führungspersönlichkeiten 'internationaler Ausstrahlungskraft von grundlegender Bedeutung ist Ein „Aktionskomitee zur Erhaltung der Stella matutina“ entstand, das vorwiegend aus Alt-Jesuitenschülern der Stella matutina in Tirol, Vorarlberg, in der Schweiz und in der Bundesrepublik Deutschland zusammengesetzt war. Da mehrfach behauptet worden war, daß finanzielle Sorgen die Schließung der Stella erforderlich machten, (eine Behauptung, die nur bedingt richtig war), wurden entsprechende Finanzierungsgrundlagen geschaffen, teil durch das Bundesland Vorarlberg, teils durch Zeichnung entsprechender Beiträge, dies durch die schweizerische Altstellaner-Vereinigung, die sehr große Summen aufbrachte, teils durch andere Alt-stellanerveremiigunigen, 'durch den Bischöflichen Landesvikar von Liechtenstein und auch durch die Diözese Feldkirch. Da die alt gewordenen Bauten im engeren Stadt-bereieh von Feldkirch für einen modernen Schul- und Kollegsbereich nicht mehr ausreichten (nur ein modernes Hallenbad bildet eine Ausnahme), wurde an einen modernen Neubau (auch mit Extemat) auf ordenseigenem Gelände in Feld-kirch-Tisis gedacht, der zwar überdimensioniert geplant war, sich aber bei entsprechender Umplanung ohne Schwierigkeiten als finanzierbar erwies.

Nunmehr teilte aber die Schweizer Viceprovinz SJ in einem Rundschreiben an alle Altstellaner in einem von Provinzial P. Bruhin und notgedrungen auch vom Rektor der Stella, matutina, P. Eugen Frei, gezeichneten Brief mit, daß tags zuvor die Entscheidung des Ordensgenerals P. Arrupe eingetroffen sei, wonach das Kolleg Stella matutina gemäß den Anträgen der schweizerischen Viceprovinz aufgelöst werde. (Die Auslaufzeit soll zwei Jahre betragen.) Als Grund wurde die Personalsituation angegeben, da nicht mehr genug Jesuiten in der schweizerischen Ordensprovinz vorbanden seien, um das Kolleg weiterzuführen. Mit der Aufhebung des Jesuitenverbotsartikels in der Schweizerischen Bundesverfassung durch die schweizerischen Stimmbürger habe der Beschluß nichts zu tun.

Man muß in diese Erklärung Zweifel setzen. Im „Stellaner Informations-Dienst“ (Nr. 90 vom 31. März 1976) wird dokumentarisch nachgewiesen, daß die Schließung der Stella matutina durch die Schweizer Ordensprovinz seit langem vorbereitet worden war, obwohl durchaus genügend Jesuiten — vertraglich war vereinbart, daß mindestens fünf Jesuiten erforderlich seien — zur Verfügung standen und stehen. Die Provinz verfügt sogar über nahezu 100 Ordensleute, von denen freilich nur eine kleinere Zahl als Lehrkräfte eingesetzt werden können, die auoh über die erforderliche (österreichische) Lehrbefähigung verfügen. Selbst heute, nachdem die Ordensprovinz einen sehr großen Teil der entsprechend qualifizierten Professoren aus Feld-kiroh in die Schweiz abgezogen hat, um sie dort anderweitig einzusetzen, sind immer noch vier Patres entsprechender Qualifikation in Feldkirch vorhanden, darunter der Direktor der Schule, der allerdings der ungarischen Provinz angehört (P. Nemeth) und damit den Maßnahmen aus Zürich entzogen ist.

Die Auflösung der Stella ist ein später Sieg des nationalsozialistischen Dritten Reiches. Nachdem die Stella matutina, 1856 in Feldkirch gegründet, um den nach dem Jesuitenverbot zum Exodus aus der Schweiz gezwungenen schweizerischen Jesuiten eine Auffangstellung zu schaffen und ihnen in ihrer Not zu helfen, relativ bald internationalen Ruf erlangt hatte, wurde sie formell in die deutsche Ordensprovinz (Subprovinz Germania Supe-rior, München) eingegliedert, von wo sie großartige Erzieher und Professoren erhielt — dies neben ebenfalls sehr bedeutenden Österreichern und Schweizern. Die jeweils rund 500 Zöglinge kamen nicht nur aus dem ganzen deutschen Sprachraum, sondern in recht beträchtlicher Zahl aus Westeuropa, Südeuropa, Ostmittel-europa und teilweise auch aus Übersee. Das humanistische Gymnasium bestand aus einem solchen mit österreichischen Lehrplänen und aus einem solchen mit deutschem Bildungsgang.

Nach dem Anschluß wurde die Stella matutina auf eine raffinierte Weise, wie es dem „menda-cium incarnatum“ der NS-Ideologie entsprach, zuerst ausgehöhlt und dann durch den Gauschulinspektor Baldauf verboten. Die französische Besatzungsmacht gestattete 1946 wenigstens in einem Teü der Gebäude die Wiedererrichtung des weltberühmten Instituts unter der Bedingung, daß die Stella unter der Verantwortung der eben erst entstehenden schweizerischen Ordensprovinz wiedererrichtet werde.

Man glaubte, daß damit die Stella endgültig gesichert sei, doch zeigte sich bald, daß der vorerst eher beträchtliche Ordensnacbwuchs jäh abriß. Solange der schweizerische Jesuitenartikel weiterbestand, konnte das Kolleg dennoch bleiben. Mit der Aufhebung dieses Artikels war ■ naturgemäß der schweizerischen Provinz nicht mehr soviel an einem Kolleg gelegen, das außerhalb der Schweiz bestand. Heute studieren nur noch 234 Zöglinge in der Stella. Das nach dem Krieg von den Kultusministern der deutschen Länder gewährte öffentlichkeitsrecht für das deutsche Gymnasium (mit deutschem Abitur) hätte eigentlich eine andere Entwicklung erwarten lassen, zumal zwei von Westdeutschland bezahlte Professoren (Studienräte) eingesetzt wurden (auch Frankreich hat zwei Professoren zu Lasten seines Unterrichtsbudgets entsandt, die derzeit noch in Feldkirch lehren, während die beiden deutschen „lebenden Subventionen“ sofort Ende Mai 1976 zurückgezogen wurden).

Es mögen auch in Feldkirch selbst Fehler gemacht worden sein, vor allem durch den verfehlten Versuch, mit einem Trägerverein das Kolleg zu erhalten, durch das Aufbrechen innerer Divergenzen und eine Geheimpolitik von Altstellanervereinigungen. Der eigentliche Grund für das bestürzende Ende der Stella matutina liegt aber in der inneren Situation des Ordens — und hier wiederum der schweizerischen Provinz, die mit einer unzureichenden Zahl von Ordensangehörigen den eigenen Aufbau nach Aufhebung des Jesuitenverbots als vordringlich ansieht. Dennoch wird der Geist der Stella matutina, wie Rektor Eugen Frei SJ in einer Ansprache an Altstellaner kürzlich sagte, in die Zukunft weiterwirken.

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